Am nächsten Morgen bin ich früh auf. Die Sonne scheint. Zeit den neuen, nicht funktionierenden Kompass auszubauen. Als ich fertig bin, schließe ich aus einer Laune heraus (oder aus Verzweiflung?) den alten Kompass direkt – ohne das lange Kabel – an das Display an. Er zeigt eine Richtung an und als ich den Geber drehe, ändert sich diese Richtung entsprechend. Ich frohlocke:
„Der Kompass funktioniert!“
„Du hast einen neuen Kompass gekauft, obwohl der alte noch funktionierte?!“
„Ja. Scheint so.“ …
Ich hatte das Kabel als Fehlerquelle ausgeschlossen, weil das Display fest 358° angezeigt hatte. Das sah so aus, als gäbe es Kontakt, als wäre nur der Geber irgendwo blockiert. Bei defektem Kabel hätte ich erwartet, überhaupt keine Anzeige zu haben oder zwei Balken oder so etwas. Vermutlich liegt der Fehler bei der Kabeldurchführung durch das Kajütdach. Ich kürze das entsprechende Ende, verbinde die beiden Kabel und habe wieder einen funktionierenden Steuerkompass. Na ja fast. Muss den Geber erst wieder im Mast montieren, das Kabel verlegen …
Schließlich gehen wir ankerauf. Müssen nur noch eine Runde drehen, um den alten Kompass neu zu kompensieren. Genau genommen vier Runden, denn es ist gar nicht so einfach einen Kreis mit konstanter Drehgeschwindigkeit zu fahren. Zumal inzwischen Wind aufgekommen ist, der die Drehung auf der einen Seite beschleunigt und auf der anderen verlangsamt. Aber irgendwann ist auch das geschafft und wir können die Segel setzen.
Hjortø soll unser Ziel sein. Es herrschen drei bis vier Windstärken. Néfertiti gibt sich der Brise hin und neigt sich sanft nach Steuerbord. Zieht ihre Schaumspur durch das Wasser. Die Sonne knallt auf uns herunter. Schönstes Sommerwetter. Und ich kann einen Kompasskurs ablesen! Leider müssen wir aufkreuzen, als wir den engen Sund erreichen. Allerdings: Von Leider kreuzen kann nicht wirklich die Rede sein. Es macht Spaß zwischen den vielen Booten hindurch zu segeln und es gibt den einen oder anderen Segler, der das ähnlich sportlich sieht…
Néfertiti passiert eine Tonne nahebei, die sich zur Seite neigt und eine lange Stromschleppe mit sich zieht.
„Gut anderthalb Knoten Strom,“ schätze ich, „Gegenan.“
„Ich denke in der Ostsee gibt es keinen Strom…“ Ich erkläre Ima, dass es sehr wohl Strömungen in der Ostsee gibt, die allerdings nicht der Tide unterliegen sondern dem Wind. Hinter der nächsten Biegung werden wir wieder anliegen können.
Eine große Yacht kommt uns knapp außerhalb des Fahrwassers entgegen, die Genua backbords geschotet. Eigentlich haben wir Vorfahrt (Lee vor Luv). Aber das Echolot warnt. Es wird flach. Wir wenden, was die Vorfahrtsituation ändert. Jetzt sind wir ausweichpflichtig. Backbordbug vor Steuerbordbug. Die Yacht kommt schnell näher. Ich kitzele Höhe heraus, um die Yacht hinter ihrem Heck zu passieren. Die Segel fangen an zu killen. Néfertiti verliert Fahrt. Dann ist die Yacht vorbei und wir können abfallen. Da sehe ich aus dem Auspuff am Heck das Kühlwasser der mitlaufenden Maschine sprotzen.
Jetzt auf dem Streckbug nutzen wir das Fahrwasser. Deshalb muss uns jedes entgegenkommende Maschinenfahrzeug ausweichen. Stattdessen weiche ich erst einem kleinen entgegenkommenden „Segler“ aus , der ebenfalls die Maschine mitlaufen lässt und kurz darauf einem großen Yogurtbecher (und verschenke diesmal so viel Höhe, dass ich deshalb zwei Wenden mehr fahren muss), der sich ebenfalls fälschlicherweise als segelndes Segelboot ausgibt…
Sagt mal Ihr Ostsee Fahrer: Wisst ihr eigentlich was ein schwarzer Kegel ist?!
Über die Hälfte der uns entgegenkommenden Segelboote lässt die Maschine mitlaufen und keiner (!) hat den Kegel gesetzt. Ich lasse ja gerne mal 5 gerade sein, aber in dem engen Fahrwasser bei so dichtem Verkehr…?! Ist das nicht auch eine Frage der Kameradschaft?
Plötzlich fährt eine Bö in die Segel Néfertitis. Néfertiti neigt sich schlagartig und schießt vorwärts. Ima erschreckt heftig.
„Jamummi!“ Während ich mich über die Rauschefahrt freue, ist Ima plötzlich kleinlaut:
„Können wir nicht auch mit Motor fahren, wie die anderen auch?“
„Was ist denn?“ …
Am Ende berge ich bei schönstem Segelwind die Segel. Enttäuscht. Ima war doch schon in ganz anderen Situationen soviel cooler… aber jetzt hat sie Angst. Wegen einer Bö. Ich sehe uns bis Hjortø motoren. So herrscht eine gewisse Schwermütigkeit an Bord, als wir uns Svendborg nähern. Doch die Häuser lächeln zu uns herüber. Ima ist meine Enttäuschung nicht entgangen. Sie sagt:
„Wollen wir nicht kurz nach Svendborg hinein. Ein paar Sachen kaufen…“ Super Idee. Aber bevor ich antworten kann, setzt sie noch einen drauf:
„Ich lade Dich auch auf ein Eis ein!“ Na denn. Welcher Skipper kann sich solch perfider Bestechung schon entziehen…?
Ich checke das Handbuch, um mich mit den Gegebenheiten des Hafens vertraut zu machen. Derweil nähern wir uns dem Oheflak. Das Fahrwasser verläuft nördlich des Flaks und eigentlich müssten wir in der Innenkurve außerhalb des Fahrwassers gut ankern können. Ein Blick in die Seekarte. Idealer Ankerplatz…
Eine halbe Stunde später liegt Néfertiti sicher vor Anker und wir rudern mit Echna auf die Svendborger Seite des Sundes zu. Ich halte gut vor und die Strömung hilft uns Echna ans Ufer zu bringen. Wir schließen unser Dinghy mit einer Kette am Fähranleger an und spazieren in die Stadt. Die gedrückte Stimmung ist längst Entdeckerfreude gewichen.
Der eigene Charme des Städtchens nimmt uns schnell gefangen. Eine junge Dänin erzählt uns, dass der Stadtrat alternativ sei und man sich bemühe alle großen Ketten außerhalb des Stadtzentrums zu halten. Natürlich gäbe es auch hier einen Mc…, aber eben nicht im Zentrum. So erzählt sie nicht ohne Stolz und spricht uns damit aus dem Herzen. In Zeiten der großen Gleichmacherei, in der man in jeder Kleinstadt die gleichen Geschäfte, Boutiquen und Restaurantketten findet, eine schöne Ausnahme. Wir kommen bestimmt wieder.
Abends rudern wir zurück. Längst haben wir beschlossen auf dem geschützten Ankerplatz zu übernachten. Und gleichzeitig beglückwünschen wir uns, dem Rat der Frau von der Aldebaran gefolgt zu sein: Dänemark ist teuer!
Ein paar frische Sachen haben wir aber doch besorgt und Ima kocht. Wir speisen … und reden … und quatschen … und reden …und fühlen uns wohl miteinander. Irgendwann schalte ich das Ankerlicht ein. Ima ist müde und ich mache den Abwasch alleine im Cockpit bei schönster Dämmerungsstimmung. Gerechte Arbeitsteilung. Eigentlich wollten wir das „Doppelbett“ aufbauen, eine improvisierte Konstruktion, die uns erlaubt aneinander gekuschelt einzuschlafen. Der eine liegt mehr oder weniger auf seiner Koje, der andere auf den halb ausgeklappten und verkeilten harten Kojenbrettern. Muss Liebe schön sein! Wer liegt wohl auf den Kojenbrettern …?
Eigentlich: Denn als ich den Abwasch gemacht habe, schläft Ima längst tief und fest. Also schlüpfe ich leise in meine weich gepolsterte Koje und bin schnell ebenfalls im Reich der Träume.
♦♦♦
Cooles Hemd…
… heiß geliebt … oft getragen … alt geworden … eingerissen … genäht … zu den Bootssachen gepackt … immer noch geliebt
kenne ich, meinen Lieblingstroyer, hab ihn schon zweimal aus der Altkleiderkiste gefischt..und liebe ihn immer noch
Jens
Es bereitet ein besonderes Vergnügen, wenn ich lese, wie ihr euch unserem Heimatrevier nähert, wie ihr es entdeckt… und die gleichen Erfahrungen macht, wie wir es beim ersten mal taten. Ja, die dänische Südsee ist wirklich hygelig. Ich bin allerdings froh, dass unsere Sugata für uns jeden Abend eine riesige, bequeme Doppelkoje in der Achterkammer bereit hält
Bin gespannt, wie es weitergeht, mit euerem Törn. Er verteibt die Gedanken an das gruselige Wetter draußen und nährt die Freude auf unseren nächsten Türn
LG
Jens
SY Snugata
Hi Jens,
Würde ich immer noch gerne. Aber inzwischen haben wir uns so an die schöne Segellast in der Vorpiek gewöhnt… Weiß ehrlich gesagt auch nicht wohin mit Ankertrosse, Zweitanker, Segeln, Persenning, Kugelfender …
Doppelkoje … wow! … Als ich Néfertiti kaufte hatte ich geplant eine im Vorschiff einzubauen.
Liebe Grüße (und den Rest dieses Winters schaffen wir auch noch
)
Klaus
„Sagt mal Ihr Ostsee Fahrer: Wisst ihr eigentlich was ein schwarzer Kegel ist?!“
Ja, wissen wir. Das ist allerdings besonders in Dänemark nur theoretisches Wissen.
Das Fahren unter Segeln mit zugeschalteter Maschine wird in der Ostsee „dänisches Kreuzen“ genannt. Damit muss man jederzeit rechnen. Wenn dir eine X-Yacht entgegenkommt, eher weniger; aber je komfortabler und motorsegliger der Entgegenkommer ist, desto mehr. Auch der Ankerball wird dort nicht so ernst genommen wie bei uns. Es gibt dort allerdings auch niemanden, der das kontrolliert: und das ist wieder die Freiheit der Meere, die wir suchen.
Lieber Klaus,
Und gut zu wissen. Wir segeln sowieso defensiv, aber in der Dänischen Südsee wurden wir immer defensiver… Hatte den Verdacht, dass wer die eine Regel nicht kennt, den Rest vielleicht auch nicht kennt…

Theoretisches Wissen. Schön gesagt.
Mir ging es übrigens nicht um Kontrollen oder die deutsche Schilder- und Paragraphenwut, über die ich selbst oft schmunzeln muss, sondern um … Kameradschaft. Da ich einen Blog schreibe, nutze ich diese „Macht“ aus, um gelegendlich an eben jene zu appellieren.
Alles Liebe
Klaus
Hallo ihr beiden,
danke für diesen wundervollen Blog. Ich lese ihn seit geraumer Zeit regelmäßig. Die Texte hier sind toll geschrieben, guter Stil.
Grüße aus dem trüben Bremen
Lothar
Hi Lothar,
danke, dass Du mit liest
Habe mal auf Deine Seite geschaut. Sind wunderschöne Modelle, die Ihr da baut. Echt toll.
Liebe Grüße
Klaus
Danke Klaus,
das Hobby macht auch Spass und schön anzusehen auf dem Wasser sind die Boote ja auch.
Aber eure Néfertiti ist ja auch schon als Klassiker zu bezeichnen. Die Linien zeigen jedenfalls was her.
Viele Grüße auch an Deine Mitseglerin.
Lothar
:)Ja, die alte Lady ist jetzt 63…
Und die Grüße an Iman richte ich gerne aus
Soll Dich bestimmt zurück grüßen.
Alles Liebe
Klaus
Ja, ja, die Seglergemeinde verkommt total – keine Disziplin mehr auf den Weltmeeren. Auch in unserem REvier in Holland habe ich noch nie einen Motorkegel gesehen. Der Ankerball wird aber schon gesetzt.
Aber das ist alles nix gegen die führerlosen großen „Schlepperpötte“ auf der Adria!
Wieder ein sehr schöner Beitrag, Klaus.
Im Ijsselmeer … kann mich nicht erinnern, in der Waddenzee aber schon. Möglicherweise setzt man den Kegel eher im Watt, wegen der extrem schmalen Fahrwasser…?
Liebe Grüße
Klaus
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