Aus dem Weltempfänger dringt eine verzerrte Stimme:
„Belte und Sund: Südwest 6 zunehmend 7, Schauerböen, vereinzelt Gewitter. Später Südwest 6 -7 etwas abnehmend…“ Es ist kurz vor sieben Uhr. Das Radio steht in einer Plastiktüte im Cockpit, während der Regen auf das Deck trommelt. Ich habe Sehnsucht nach einem schönen Café. Gemütlich im Warmen sitzen, an meinen Segelgeschichten schreiben und durch die regennasse Scheibe nach draußen schauen…
„Klaus, du könntest ja nach Sønderborg wandern.“
„Bei dem Wetter?!“
„Klar.“
Wer verrückt genug ist Selbstgespräche zu führen, ist auch verrückt genug im strömenden Regen nach Sønderborg zu wandern. Ich nutze eine Pause, in der es nur nieselt, schlüpfe in die immer noch nasse Jacke von gestern und lasse Echna zu Wasser.
Kurz darauf stapfe ich wieder den schmalen Pfad am Sund entlang. Diesmal Richtung Sønderborg. Die Bewegung macht warm. Platsche mit meinen Wanderschuhen durch die Pfützen, wie ein Kind, das seine neuen Gummistiefelchen ausprobiert. Was einem am warmen Kamin sitzend Schauer über den Rücken jagt, macht mir Schritt für Schritt mehr Spaß. Diese Wanderung war eine tolle Idee! Regen hin oder her. Das stramme Marschieren tut mir gut und der stete Regen weckt ein heroisches Gefühl. Nach einer Weile spüre ich ihn nicht einmal mehr. Freue mich schon auf das Einkehren. Viel zu früh erreiche ich die Innenstadt von Sønderborg.
Der erste Eindruck ist ernüchternd. Nur Zeitgeistcafés mit ihren unbequemen Barhockern. Keine Menschen auf der Straße. Nicht einmal in der Fußgängerzone. Der Regen hat sie alle fortgeschwemmt. Nach einer Weile finde ich zwar kein schönes Café, aber wenigstens die Menschen: In einer riesigen mehrstöckigen Einkaufspassage voller Boutiquen mit einem schwarz-weißen Marmorboden, der mich schwindelig macht. Es muss hier doch irgendwo ein Café geben für Zeitgeistgeschädigte wie mich.
Ich fliehe in den Regen zurück und finde am Ende ein kleines Café beim Rathaus, in dem man richtig sitzen kann. Ergattere sogar einen Platz am Fenster. Hier ist es zwar nicht wirklich warm, aber trocken. Und ich werde mit meiner nassen Wanderkluft auch nicht hinaus komplementiert, obwohl ich hier alles nass tropfe. Nicht einmal mit schrägen Blicken bedacht. Stattdessen bringt mir die atemberaubend schöne Bedienung sogar ein Glas Wasser zum Kaffee. So habe ich mir das vorgestellt: Der Regen trommelt an die Scheibe und ich arbeite zügig an den Notizen für den Blog. Nach einer Stunde kommt sogar die Sonne heraus. Inzwischen ist die Bedienung neugierig geworden, was ich denn da so eifrig schreibe? Ich erzähle von unserer Reise und, naja, Ima würde sagen: Ich flirte. (Ganz unschuldig und ohne Absichten) Als ich schließlich aufbreche ist der Abschied herzlich und irgendwie fühle ich mich beschenkt …
Der Rückweg führt mich auf dem gleichen Weg durch eine vollkommen veränderte Welt. Die Sonne färbt die Landschaft bunt. Ich wandere über Felder und durch kleine Wälder. Während ich im strahlenden Sonnenschein kräftig ausschreite, trocknen sogar meine Klamotten. Und immer wieder öffnet sich der Blick auf den lieblichen Sund.
Als ich schließlich Echna erreiche, staune ich nicht schlecht: Das Wasser ist weg! Wie im Watt. Echna liegt auf dem Schlick und der Flutsaum ist zwanzig Meter zurück. Ich binde Echna los, da trifft mich ein Tropfen. Über mir eine tiefgraue Wolke. Wo kommt die den her? Durch den Wald wandernd habe ich sie nicht kommen sehen. Die ersten Tropfen gehen in einen Wolkenbruch über. Ich verliere meinen Gleichmut. Binde Echna wieder fest und flüchte fluchend in den Schutz des Bootshauses. Der kurze Moment hat ausgereicht. Kann meine gerade getrocknete Hose wieder auswringen…
Nach einer Weile geht der Regen in Niesel über. Ich ziehe die Wanderschuhe aus und verstaue sie im Rucksack. Krempel die nasse Hose hoch und wate in den Schlick, der nach faulen Eiern riecht. Ziehe Echna hinter mir her. Am Flutsaum binde ich das Schlauchboot fest. Ich Schlaumeier habe auf dem Steg einen Wasserhahn entdeckt an dem ich meine Füße säubern kann. Stapfe ein Stück zurück, bis ich auf den Steg klettern kann.
Aus dem Wasserhahn kommt kein Tropfen Wasser. Ich binde Echna los und führe das Schlauchboot bis zum Ende des Stegs, wo eine Leiter hinunter führt. Ich klettere hinunter und spüle meine Füße im Wasser der Ostsee. Steige ins Dinghi und rudere zu Néfertiti hinüber. Als ich ankomme, hört das Nieseln auf und die Sonne lugt wieder zwischen den Wolken hervor. Jetzt habe ich mir etwas Warmes verdient. Erst einen heißen Tee und dann mal weitersehen. Wandern macht hungrig…
♦♦♦
Mal wieder sehr schön. Bei deinem Flirt musste ich ein wenig schmunzeln: So eine Beschreibung und dann kein Bild der atemberaubenden Schönheit?
Ich finde Sonderborg toll. Es liegt für uns gut erreichbar, so dass wir oft dort sind. Wir liegen dann eigentlich immer im Stadthafen, mit schönem Blick und tollem Ambiente. Leckeres Eis gibt es dort auch. Aber bei dem Wetter geht vermutlich viel von dem Flair verloren. Ich freue mich schon auf dem Sommer – dann werden wir sicher wieder die ein oder andere Nacht dort verbringen…
Mönsch Lucky, da muss ich auch schnunzeln.

„Darf ich ein Foto von Dir machen?“
„Warum?“
„Für meinen Blog …“
„Jaja. Für deinen Blog… Erzähl mehr!“ (Letzteres triefend vor Ironie) Mit manchen Fragen kann man den zarten Zauber einer Begegnung auch nachhaltig niedermachen …
Vielleicht sollte ich mir ein T-Shirt drucken lassen:
„Vorsicht Blogger!
Alles was Du sagst kann verwendet werden.“
genau so musst du es machen