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Segeln als Digitale Nomaden

Zum Tanz gebeten

Apr• 05•15

Wir tuckern langsam auf die Hafenausfahrt Sonderborgs zu. Draußen erwartet uns ein böiger Starkwind, der zum Tanz ruft. Seine Tanzpartnerin ist eine hochhackige Welle, die unsere Schraube immer wieder frei drehen lässt …

Langkieler Néfertiti: Starkwind segeln auf der Flensburger Förde

Nèfertiti wird …

Während Néfertiti die Polonäse anführt und im Takt mal den Bug hebt und mal das Heck (So temperamentvolle Tanzbewegungen hätte ich ihr kaum zugetraut) erreichen wir die Untiefentonne. Ich stoppe auf, löse die Zeisinge, mit denen das Groß am Baum aufgetucht ist, und setze das Segel. Das zweite Reff ist noch eingebunden und passt perfekt. Dazu die halbgereffte Genua. Gleichzeitig treffe ich eine der schwersten Entscheidungen der ganzen Fahrt: Wir könnten so schön segeln, aber ich lasse den alten Sabb mitlaufen, um die Batterien zu laden. Ich hatte mir vorgenommen diesen Törn bewusst wahrzunehmen. Was-auch-kommt zu akzeptieren, anstatt mit den Umständen zu hadern. Das gelingt mir leidlich…

Néfertiti kracht in eine Welle. Die Gischt fliegt meterweit. Wir machen Rauschefahrt und über allem lacht die Sonne. Die Wellen folgen einem gewissen Rhythmus. Über die erste gleitet Néfertiti leicht und anschmiegsam. Über die zweite auch. Durch die dritte boxt sie sich, bei der vierten bäumt sie sich auf, kracht mit dem Bug in die fünfte. Gischt fliegt. Dann segeln wir wie auf einem Hochplateau. Bis die nächste Gruppe von Wellen kommt…

Ich kann die Huk, die auf der Seekarte so markant aussieht, von hier nicht ausmachen, weil wir (vermutlich) genau darauf zu segeln. Sieht alles gleich weit entfernt aus. Also segele ich streng nach Kompass. Müsste nicht langsam mal die Untiefentonne in Sicht kommen, auf die ich den Kurs abgesetzt habe?

Langkieler Néfertiti: Starkwind segeln auf der Flensburger Förde

… zum Tanz …

Über der Förde zieht schwarz die nächste Schauerwolke auf. Trotz der kurzen Anlaufstrecke ist die See hackig. Néfertiti bolzt sich wieder durch eine der steileren Wellen. Gischt spritzt. Der Wind nimmt zu, legt Schaum in Streifen und bläst ihn von den Wellenköpfen. Auch von der Bugwelle. So schäumt Néfertiti durch eine aufgewühlte See. Herrlich. Nur dass mich die Batterie so im Stich gelassen hat… und die ganze Zeit der Diesel läuft und mit lautem Dröhnen jede unserer Tanzbewegungen kommentiert.

Die Sicht nimmt ab. Das südliche Ufer verschwindet in einer Regenfahne. Das ist Glück. Der Regenschauer verbirgt die hinter der Huk weg springende Küste, während das näher zu uns liegende Ufer der Flensburger Förde sichtbar bleibt. Jetzt kann ich die Huk exakt identifizieren: Wir sind auf Kurs. Und da taucht auch endlich die Untiefentonne auf. Ziemlich nahe. Inzwischen hat die Bö Sturmstärke erreicht. Ein Platzregen bricht auf uns hernieder. Aber mit meinem doppelten Ölzeug ficht mich das nicht an. Mag es doch schütten, wie es will.

Langsam nähern wir uns der Huk, die ich, wegen einer vorgelagerten Untiefe, in respektvollem Abstand runde. Je weiter wir in die Geltinger Bucht hinein laufen, desto vorlicher fällt der Wind ein. Ich denke an Winfried Erdmann, an seine feuchten Reisen in den hohen Breiten. Er muss hier irgendwo in der Nähe wohnen.

Inzwischen steht Néfertiti weit genug in der Geltinger Bucht. Der Seegang hat schlagartig aufgehört. Néfertiti geht über Stag. Wir kreuzen auf das Ufer zu. Aber kreuzen mit laufendem Diesel ist irgendwie nicht das Gleiche. Also drehe ich in den Wind und nehme die Segel herunter. Dann tuckern wir auf das Ufer zu. Die Zweimeterlinie verläuft hier relativ dicht am Strand. Der Anker fällt auf 3,50 m. Eindampfen. Geschafft. Da schaut sogar wieder die Sonne hervor…

Langkieler Néfertiti: Starkwind segeln auf der Flensburger Förde

… gebeten

Eigentlich wollte ich jetzt Linseneintopf kochen. Auch für den morgigen Schlag zur Schlei. Aber ich habe keine Lust.
„Ima!? Hast du Lust zu kochen?“ Néfertiti gibt mir einen kameradschaftlichen Stubbs. (Stimmt. Ich habe eben ein Motorboot nahe passieren gehört.) Einhandseglers Los. Anstatt Kartoffeln für den Eintopf zu schnibbeln, setze ich Nudelwasser auf: Einhandseglers Kompromiss. Jetzt gibt es erst einmal Pesto. Das geht schneller. Warm ist es auch. Den Eintopf kann ich abends kochen…

Nach dem Essen lege ich mich auf die Koje und bin in Minuten eingeschlafen. Dabei ist es erst 14 Uhr. Der Ankerplatz ist nicht der Schönste, den wir auf diesem Törn besucht haben, aber gut gegen Südwest geschützt. So höre ich den ganzen Tag den Wind im Rigg heulen, aber Néfertiti liegt ruhig und sicher. Wenn der Wind drehen sollte (was nicht angesagt ist), kommen wir hier ohne Probleme wieder raus. Auch für die Nacht wirkt die Nachbarschaft des Leuchtturmes Kalkgrund beruhigend…

Ich verlümmele den Rest des (Urlaubs-) Tages gemütlich auf der Koje. Mit viel lesen, etwas für den Blog schreiben, heißem Tee und süßem Gebäck. Ab und zu erinnert mich das Trommeln von Regentropfen auf das Deck daran, wie behaglich ich es hier unten habe…

Abends koche ich auch keinen Linseneintopf. Lasse ich mich gehen?! Immerhin höre ich den Wetterbericht. Atmosphärisch gestört:
„Mit Sturm oder Starkwind ist in folgenden Seegebieten zu rechnen:…“ Es werden fast alle aufgeführt. Natürlich auch Belte und Sund sowie die Westliche Ostsee.
„Südwest bis krrrrrri … Strichweise 7….krrrrrrrrrr… Schauerböen…“ Habe nicht alles mitbekommen. Aber eh genug gehört. Wenigstens kein Sturm… Vor den Schauerböen habe ich allerdings inzwischen allerhöchsten Respekt. Ich stelle mir den Wecker. Werde morgen im Dunkeln aufbrechen. Will endlich mal wieder nachts segeln…

♦♦♦

Dieser Blog Eintrag spielt am 19.8.2014

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4 Comments

  1. Lucky sagt:

    Ich habe immer Angst den Motor bei Schräglage mitlaufen zu lassen – wegen der Ölschmierung.

    • Klaus sagt:

      Hi Lucky, der alte Diesel hat nicht gemuckt. Allerdings hält sich die Krängung auf Néfertiti auch in Grenzen. Mehr Krängung als auf den Bildern gab es kaum… (Höchstens mal für Sekunden) Der Öldruck hat sich auch nie verändert und ich gucke recht häufig auf die Anzeigen.
      Liebe Grüße
      Klaus

  2. Jörg sagt:

    Hallo Klaus,
    ich will einfach nur mal DANKE sagen, dafür, daß Du mich (uns) auf Deine Reisen mit Néfertiti mitnimmst. Ich freue mich jeden Montag auf Deinen Blog!

    • Klaus sagt:

      Hallo Jörg,

      das finde ich toll. Danke für das Danke. :) Das freut mich ungemein. Bin gerade selbst ein bisschen schwermütig, weil der schöne Törn langsam aber sicher seinem Ende zustrebt.
      (Für mich schon zum Zweiten Mal, denn beim Schreiben erlebe ich das alles irgendwie noch einmal neu…)

      Aber der Frühling steht ja vor der Tür!
      Liebe Grüße
      Klaus

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