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Segeln als Digitale Nomaden

Nachtfahrt oder: Das Lachen der Götter

Apr• 09•15

Der Wecker klingelt. Ich bin mit einem Schlag hellwach, freue mich auf das nächtliche Segeln in den Sonnenaufgang hinein. Draußen ist es stockduster. Nur der Leuchtturm Kalkgrund schickt sein beruhigendes Licht durch die Nacht.

Langkieler Néfertiti: Schwerwetter segeln

Nachtfahrt?

Ich setze Teewasser auf und ziehe mich warm an. Doppeltes Ölzeug. Kaum bin ich an Deck, um den Anker kurzstag zu holen, fängt es an in Strömen zu regnen.
„Ihr Götter, wird euch das nicht langweilig!?“
Keine Antwort. Wen wundert es? Ich verhole mich unter Deck und trinke noch einen Tee. Lausche dem Prasseln der Regentropfen und beschließe Rein Schiff zu machen.

Als die Kajüte Néfertitis blitzt und blinkt hört es auf zu regnen. Perfekt. Ich genehmige mir noch einen Tee (Großer Fehler) und steige schließlich wieder an Deck. In dem Moment geht ein zweiter Wolkenbruch hernieder. (Seit Lyø holen wir uns täglich unsere Portion Schlechtwetter ab und jetzt ist der berühmte Tropfen gefallen, der das Fass zum Überlaufen bringt)
„Verdammte …….!“ Von einer Sekunde zur anderen bin ich so wütend, dass ich alle Götter verfluche, in die Kajüte hinunter stampfe und das Schiebeluk hinter mir zu knalle, dass der Stopper bricht. Schallendes Lachen der Götter. Schlimmer noch: Der Stopper hat sich so unglücklich in der Lukgarage verklemmt, dass sich das Luk nur noch halb öffnen lässt. Als der Schauer vorbeigezogen ist, klettere ich mühsam aus dem verengten Niedergang und ziehe das Schiebeluk in der anderen Richtung ganz aus der Führung, aber die Garage ist so schmal, dass ich zwar meine Finger hineinstrecken kann, aber beim Daumenballen ist Schluss. Es kostet mich zwei Stunden unablässigen Stocherns mit dem Bootshaken, bis die Götter ein Einsehen haben (Oder Respekt ob meiner Sturheit) und es mir gelingt den Holzstopper nach vorne zu ziehen. Er ist an einer Stelle morsch und wäre, wenn er nicht unsichtbar in der Garage gesteckt hätte, längst ausgetauscht worden. Zwei der vier Schrauben fassen sogar noch. Vielleicht hält es ja, bis wir wieder zu Hause sind.

Langkieler Néfertiti: Schwerwetter segeln

Endlich los

Als wir schließlich seeklar sind, dämmert der neue Tag herauf. Grau und unfreundlich. Adé Nachtfahrt. Und natürlich fängt es wieder an zu regnen. Ich gehe trotzdem Ankerauf. Hatte ich mir nicht am Anfang der Fahrt (und zwischendurch auch immer wieder) vorgenommen, alles bewusst wahrzunehmen? Zu fühlen, mich auf die Gegebenheiten einzustellen und dann zu handeln, ohne Lamento oder Bedauern? Zähneknirschend setze ich die Genua. Gemächlich segeln wir mit achterlichen Wind auf den Leuchtturm Kalkgrund zu. Wir sind hier noch in Landschutz und es weht mit zwei Windstärken. Die Selbststeuerung kommt erstaunlich gut mit dem leichten achterlichen Wind zurecht. Es regnet. Gut. In dem gleichen Maße, indem es mir gelingt, einfach nur die Tropfen zu spüren, den langsam zunehmenden Seegang, den Wind, der in die Genua greift, in dem gleichen Maße verfliegt meine Wut. Habe ich eben wegen ein paar Regentropfen das Niedergangsluk zertrümmert?! In das Lachen der Götter mischt sich mein eigenes. Liegt der Schlüssel zur Gelassenheit in der Bewusstheit? Wahrnehmen das, was ist, und nicht das, was man gerne hätte. Das Lachen der Götter verstummt. Was bleibt, ist das Säuseln des Windes. Selbst der Regen hört auf.

Kurz nach 08.00 Uhr runden wir den Leuchtturm Kalkgrund. Ich gehe auf 135° und setze das gereffte Groß. Inzwischen weht es mit gut 5 Windstärken. Néfertiti zieht ihr geschäumtes Kielwasser. Wird leicht auf und ab gehoben. Die Ostseewellen sind sanft im ablandigen Wind. Von Als grüßt der Leuchtturm Kegnäs herüber und die Sonne zwinkert uns zu.

Langkieler Néfertiti: Schwerwetter segeln

Leuchtturm Kalkgrund

Etwas später überlasse ich Néfertiti der Windfahnensteuerung und klettere den Niedergang hinunter, greife mir den Peilkompass und nehme Peilungen von Kegnäs und Kalkgrund. (Nicht, dass das heute aus navigatorischen Gründen notwendig wäre, ich weiß auch so ziemlich genau, wo wir stehen, aber wer den Beitrag „Wie alles begann“ gelesen hat, wird verstehen, was mir dieser Augenblick bedeutet … Damals hatte ich davon geträumt hier entlang zu segeln und diese Peilung zu nehmen. Jetzt sind Néfertiti und ich hier. Ich muss mich kneifen. Autsch. Es ist Wirklichkeit!) Ich klettere wieder nach unten, beuge mich über den Kartentisch und zeichne die Peilungen in die Seekarte ein. Ein ganz wundervolles Hochgefühl nimmt Besitz von mir. Über Land braut sich schwarz die nächste Schauerbö zusammen. Soll sie doch. Die alte Gelassenheit hat wieder Besitz von mir ergriffen.

Für alle Fälle rolle ich die Genua etwas ein und versetze sogar den Holepunkt. Dann überlasse ich Néfertiti sich selbst und beginne Kartoffeln zu schälen und Karotten zu schnibbeln… Schließlich will ich heute Eintopf essen! Mein Hochgefühl lässt sich auch nicht mindern, als die Bö über uns herfällt. Durch das Bullauge sehe ich, wie Schaum von den Wellenkämmen weggeblasen wird. Wuuuusch. Néfertiti liebkost die Wellen, die hier in Landschutz durchweg handig bleiben. Regen prasselt auf das Deck, während ich Feuer unter dem Dampfkochtopf mache. Dann schenke ich mir eine Muck Tee ein, kontrolliere den Kurs am Kompass, werfe einen schnellen Blick durch das Luk voraus, und lehne mich gegen den Kartentisch, wohlig den dampfenden Tee schlürfend.

Langkieler Néfertiti: Schwerwetter segeln

Néfertiti fühlt …

Als die schwarze Wolke durchgezogen ist, nimmt der Wind wieder ab. Ich klettere an Deck und reffe die Genua aus… Eine halbe Stunde später zieht die nächste Schauerbö über uns hinweg. Inzwischen ist der Linseneintopf fertig. Noch würzen. Herrlich.

Gegen elf steht Néfertiti dicht bei der Ansteuerungstonne Schlei. Jetzt abbiegen, wo es gerade so schön läuft? Wo ich mich endlich wieder mit der Welt im Einklang fühle? Ich habe nie richtig begriffen, was man mit der viel beschworenen Freiheit auf dem Meere meint, aber jetzt habe ich keine Lust auf enge Fahrwasser. Ich möchte Néfertiti laufen lassen. Ohne Halsband aus roten und grünen Tonnen…

Néfertiti bleibt auf Kurs. Das Wasser gluckst an der Bordwand. Wir segeln mit schneller Fahrt die flache Küste entlang. Trotzdem kommt von hinten eine große Yacht nur unter Genua auf. Sie setzen an uns in Lee zu überholen. Kaum sind sie vorbei, luven sie plötzlich. Anscheinend nehmen sie Kurs auf Damp, während wir weiter auf die südliche Tonne 5 des Sperrgebietes zuhalten. Ich korrigiere die Windfahnensteuerung, um ebenfalls zu luven. Sie werden ja gleich durch sein. Da fällt eine Bö ein und mit einem Mal ist Néfertiti genauso schnell wie die anderen. Das Überholmanöver zieht sich und wir segeln in die verkehrte Richtung. Warum haben die sich das mit Damp nicht früher überlegt? Anstatt mich hier in Regattamanier zu nötigen… Nach einigen Minuten fiere ich die Großschot, um die anderen vorne vorbei zu lassen und greife nach der Pinne, um Néfertiti gegen die gut getrimmte Windfahnensteuerung, hinter das Heck der Yacht zu zwingen. Aber anscheinend werden die anderen jetzt auch langsamer. Deren Genua fängt an zu killen. Haben die im selben Moment beschlossen mich vorne durchzulassen…?! Ich nehme das Groß wieder dicht und schnell setzt sich Néfertiti vor die Yacht, deren Genua aber weiterhin im Wind schlägt. Erst als wir schon eine halbe Seemeile weiter sind, holen die ihre Genua dicht und segeln weiter Richtung Damp.

Langkieler Néfertiti: Schwerwetter segeln

… sich wohl …

Bald haben wir die Tonne 5 erreicht und können abfallen. Aus der Eckernförder Förde rollen lange Wellen heran. Nichts mehr mit Landschutz. Der Wind bläst genau die Förde entlang und legt zu. Auch bezieht sich der Himmel jetzt dunkelgrau. Die nächste Schauerbö ist im Anmarsch. Ich genieße es inzwischen. Es macht Spaß zu sehen, wie leicht Néfertiti die Wellen nimmt. Auf und ab. Auf und ab. Ich setze noch einmal die Suppe auf den Herd und reffe dann die Genua vorsorglich weiter ein, bevor die Bö uns erwischt. Was für ein Naturschauspiel! Der Wind legt noch einmal zu. Néfertiti hebt sich auf den dunkelgrauen Wellenberg und schäumt auf der anderen Seite wieder hinunter, klettert auf die nächste Welle. Das Land verschwindet hinter der Regenfahne. Schaum legt sich in Streifen und der Wind heult im Rigg. Lauter und eine Tonlage höher als den ganzen Tag. Das sind mehr als sieben Windstärken …

Aber wir sind perfekt besegelt. Mit durchschnittlich sechs Knoten rauscht Néfertiti Richtung Stollergrund-Süd. Es fängt an zu regnen. Ein letzter gründlicher Rundumblick: Weit und breit sind wir die einzigen hier. Dann klettere ich den Niedergang hinunter, und schiebe das Luk (vorsichtig) hinter mir zu. Verschanze mich hinter dem Plexiglasschott und schaue achteraus. Das ist der Platz an dem Ima bei schlechtem Wetter oft gestanden hat, während ich draußen Ruder ging. Wenn sie sich trotz allem gut fühlte, hat sie dabei Faxen gemacht. Ein warmer Schwall von Sehnsucht überfällt mich. Ach Ima. Wärst Du doch jetzt hier. Es ist wunderschön. Stellvertretend für Ima mache ich auch ein paar Faxen. Nur Néfertiti sieht zu und die versteht das.

Langkieler Néfertiti: Schwerwetter segeln

Ich auch!

Inzwischen prasselt der Regen auf uns herab. Die Sicht geht auf Null. Ich schalte die Positionslichter ein und schaue gemütlich im Trockenen auf die tobenden Elemente draußen. Kontrolliere ab und zu den Kurs und bin guter Dinge. Ich weiß, dass kein Boot auf Kollisionskurs ist und sobald der Schauer durchgezogen ist, wird die Sicht wieder aufreißen… So kommt es auch. Zehn Minuten später.

Die Navigation ist hier kein Problem. Mit dem Kieler Leuchtturm und dem Ehrenmal hat man zwei unverwechselbare Landmarken. Vermutlich wird der Wind sich der Förde anpassen und rückdrehen, so dass wir wohl kreuzen müssen. Deshalb luve ich an, nachdem wir die Tonne Stollergrund Süd erreicht haben. Halte auf die Tonne Kleverberg Ost zu. Keine Höhe verschenken. Würde am Liebsten noch weiter schnibbeln, aber auf der Karte sind außer der Untiefe (eigentlich tief genug für Néfertiti) auch Steine eingezeichnet. Das kann man bei leichten Winden mal ausprobieren, aber nicht heute!

Mein Verdacht bezüglich des Windes bestätigt sich und wir laufen hoch am Wind in die Kiele Förde hinein. Trotz des bescheidenen Wetters herrscht hier viel (Segel-) Verkehr und ich steuere von Hand. Aber der Wind hat nicht nur gedreht, sondern auch abgenommen. Aber ich traue dem Braten nicht, und so segeln wir kreuzend mit zu wenig Segelfläche bis dicht vor Stickenhörn. Dann drehe ich bei und nehme die Segel herunter. Gegen 16.00 Uhr ankern wir gut geschützt im Plüschowhafen.

Wer hätte das gedacht? Der Tag hatte so mies angefangen. Und wurde einer der schönsten Segeltage der ganzen Reise.

♦♦♦

Dieser Blog Eintrag spielt am 20.8.2014

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4 Comments

  1. Carsten sagt:

    Hach, jetzt sitze ich gerade in Split auf dem Flughafen, nach unserem Törn und lese wieder Deinen Blog. Herrlich passend. Wir hatten von Sturm mit 40 Knoten – als wir endlich nach 3 Tagen raus konnten – bis Flaute am gestrigen, letzten Tag so ziemlich alles. 0 – 16 Grad Celsius und etlichen Regen. Nun verabschiedet uns Kroatien bei schönsten Wetter! Man muss es nehmen, wie es kommt. Unsere fast vollständig unerfahrene Crew hat alles gut weggesteckt und am Schluss toll funktioniert. Irgendwann werde ich wohl auch mal ein kleineres Boot alleine probieren. Bin gespannt, wie es weiter geht.
    Lieben Gruß Carsten

    • Klaus sagt:

      Moin Carsten,
      40 Knoten, musste mir das eben erst einmal in Bft umrechnen … ähm … (Bin halt mit Bft aufgewachsen) Da ging es ja ganz schön zur Sache bei Euch! Schön, dass Ihr das Beste draus gemacht habt.

      Hätte nicht gedacht, dass es so kalt da unten sein könnte. Die gleichen Temperaturen hatten wir in Hamburg jetzt nämlich auch, sogar schon mal 19° ;) , zumindest soweit ich das mitbekommen habe. Jetzt braucht es nur noch grün zu werden …
      Liebe Grüße
      Klaus

  2. Lucky sagt:

    Ach Klaus, ein wunderbarer Tag. Herrlich beschrieben. Zum Glück ist nächste Woche Krantermin, das hält ja keiner mehr aus :-)

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