Kurz vor Acht gehen wir ankerauf. Es nieselt. Auf zum Nord Ostsee Kanal. Der frühe Vogel fängt den Wurm!
Gemächlich gleitet Néfertiti durch die Hafenausfahrt und kurz darauf stehen wir im Wartebereich der Holtenauer Schleuse. Vier andere Boote sind schon da. In der neuen Karte sind Bunkerschiffe eingezeichnet, aber ich sehe keines. Eigentlich wollte ich hier noch einmal Diesel bunkern. Kurze Überschlagsrechnung: Wir haben etwa 30 Liter im Tank und 10 im Kanister. Das reicht für die Kanalfahrt. Wir werden trotzdem in Rendsburg bunkern. Sicher ist sicher …
Wir warten und warten. Ein Kümo liegt schon in der Schleuse. Nach einer Stunde fährt ein zweiter ein. Inzwischen drängeln sich hier gut zwanzig Sportboote, aber wir müssen noch länger warten. Habe gestern Abend noch einmal versucht Volker zu erreichen und meinen Urlaub zu verlängern… Erfolglos. Damit sind die Würfel gefallen. Ab nach Hamburg. Wenn ich zwei Tage für den Kanal veranschlage kann ich am 23. ankommen und am 24. die Überführung machen.
Nach zwei Stunden (!) kommt ein dritter Kümo und fährt in die Schleusenkammer ein. Danach dürfen wir. Es beginnt ein Hauen und Stechen. Jeder will der erste sein. Selbst 50 m vor dem Schleusentor werden wir rechts von einem kleinen, roten Segelboot mit röhrendem Außenborder und wild schlenkerndem schwarzen Kegel überholt und links von einer kleinen Yacht. Der Skipper der letzteren hat wenigstens ein schlechtes Gewissen und ruft mir zu:
„Ich darf doch, oder?“ (Von der anderen Fördeseite kommt noch ein Boot mit hoher Fahrt angelaufen, und vor uns wird ein Jugendkutter in die Schleuse gerudert. Es besteht ist also kein Grund zur Eile.) Ich rufe zurück:
„Bitte!“ und mache ein Handzeichen, wie wenn man jemandem an der Tür den Vortritt lässt, dann kommt mir eine Idee und ich rufe hinüber:
„Darf ich auf euch liegen?“ Er zögert tatsächlich eine Sekunde bevor er antwortet:
„Klar.“
So fahren wir als vorletzte ein. Aber auch für uns ist noch ein Platz frei an dem glitschigen Schwimmer. Als wir fest sind, werden die Jugendlichen über Lautsprecher angefeuert. Sie pullen ihren Kutter so weit wie möglich nach vorne. Das Schleusentor ist bereits halb geschlossen. Aber die Holländer hinter uns sind noch nicht drinnen! Der Schleusenwärter(?!) steht oben und winkt sie heran durchzufahren, was sie auch machen. Das Tor schließt sich und ich schnappe mir das Portemonnaie, um die Passage zu bezahlen. Gehe zusammen mit dem Mann, auf dessen Boot wir jetzt doch nicht liegen, hinüber zum Kiosk. Er gibt mir Tipps bezüglich Diesel Bunkern im Kanal.
Gegen 10.30 Uhr ergießt sich ein Pulk von etwa 40 Yachten in den Kanal. Wir Sportboote sind zuerst dran. Ich werfe die Leinen los und fädele mich hinter dem holländischen Motorsegler ein. Langsam fahren wir an dem hinteren Frachter vorbei, dessen Schrauben langsam drehen und eine heftige Seitenströmung hervorrufen. Der Motorsegler lässt etwas Platz zum Vordermann und ein Traditionssegler mit zwei Masten fädelt sich in die Lücke. Néfertiti läuft auf die Lücke zwischen den beiden vorderen Kümos zu. Quirlendes Schraubenwasser. Ich lasse etwas Platz nach vorne. Wir brauchen Fahrt, um da durchzufahren. Stattdessen nehme ich das Gas ganz weg, als wir die Zone des verquirlten Wassers erreichen. Der Zweimaster hat in der Lücke aufgestoppt … Ich fühle mich an die Klappbrücke von Sonderborg erinnert. Nur, dass das hier ernster ist. Aber das Schraubenwasser verdreht uns nicht. Glück gehabt! Der Zweimaster nimmt wieder Fahrt auf und wir kommen gut in den Kanal. Mein Unwille verfliegt, als ich realisiere, dass der Zweimaster nur aufgestoppt hat, um den motorlosen Jugendkutter in Schlepp zu nehmen.
Wegen des weißen Dampfes, der bei hoher Fahrtstufe aus dem Auspuff kommt, lassen wir es langsam angehen. Hauptsache durchkommen! Schnell finden wir uns am Ende des Pulkes wider. Selbst das rote Boot mit dem Außenborder fährt uns davon. Plötzlich läuft es aus dem Ruder und bleibt im Fahrwasser liegen. Nein. Es dreht. Kommt uns entgegen. Einer der Männer zeigt vor uns ins Wasser. Ich kann da nichts erkennen, aber drossele vorsorglich die Fahrt. Als sie heran sind, rufe ich:
„Was ist los?“
„Wir haben einen Teil des schwarzen Kegels verloren.“ Ich denke an Schraube und Leine und halte scharf Ausguck. Fünfzig Meter weiter entdecke ich das Teil querab.
„Hier ist es!“ Ich zeige auf das Teil. Von vorne kommt ein großer Schubverband. Während wir uns brav zum Ufer begeben, fahren die Jungs ein Kegel-über-Bord Manöver.
„Passt auf den Großen auf!“ Der Rudergänger schaut auf und nickt dann beruhigend: Das schaffen wir dicke. Der Schubverband gibt ein Achtung Signal. Laut und dröhnend. Einer der Jungs kriegt das Holzteil zu fassen und schon flitzen sie zum Ufer…
Die Kanalfahrt ist toll. Der heftige Gegenwind stiehlt uns zwar einen Knoten Fahrt. Und der Motor rüttelt und schüttelt und lärmt, aber ich nehme es kaum wahr. Néfertiti läuft den baumumstandenen Kanal entlang und die anderen hängen uns langsam aber sicher ab. Bald sind wir allein. So gondeln wir bis Rendsburg, wo wir Diesel bunkern.
Ich habe meine Seilsteuerung weiter verbessert. Die Feinjustierung mache ich jetzt über das Heben und Senken der Pinne. Bald habe ich den Bogen heraus und Néfertiti läuft minutenlang geradeaus, ohne dass ich steuern müsste. Selbst Kurvenfahrt lässt sich so einstellen… Der Motor gibt einen Rhythmus vor. Ich fange an zu singen. Irgendwann wippt der Kopf im Takt mit, die Arme folgen und ich tanze ausgelassen im Cockpit zum eigenen Gesang, während Néfertiti sich selbst steuert. Von hinten überholt mich ein Familie auf Fahrrädern. Alle vier winken mir fröhlich zu. Bloß gut, dass bei dem lauten Motor mein … ähm … „Gesang“ … von niemandem gehört wird!
Gegen Abend nähern wir uns der Gieselauschleuse. (Inzwischen bin ich vom Singen heiser, aber kann einfach nicht aufhören.) Die letzte Stunde hatte der Wind abgenommen und wir kommen endlich mit Marschfahrt voran. Soll ich weiterfahren zum Übernachtungsplatz bei Km 20 wie ursprünglich geplant? Oder mir auch den Liegeplatz an der Gieselauschleuse ansehen? Kurz vor dem Abzweig nähert sich Néfertiti ein Raubvogel mit gewaltiger Flügelspannweite. Der Adler? Ich greife nach dem Fernglas und erkenne die markante Kopfform. Er kreist einmal um Néfertitis Mast und fliegt dann über die Bäume Richtung Gieselauschleuse. Der freundlichen Einladung kann ich mich nicht entziehen und wir biegen in den schmalen, malerischen Kanal ein. An den Stegen vor der Schleuse liegen deutlich weniger Boote als erwartet. Ich stoppe auf und hänge die Fender über die Reling. Die Leinen sind noch angeschlagen. Inkl. der Mittelleine. Bei der Windstille ein einfaches Anlegemanöver auf Néfertitis Schokoladenseite. Kaum sind wir fest, läuft der Schwell eines vorbeifahrenden Schiffs vor der Schleuse aus und schaukelt uns heftig durch. Ein Fall für den großen Kugelfender, den ich schnell zusätzlich an die Reling hänge. Dann geht ein neuerlicher Regenschauer über uns hinweg und ich verkrieche mich in die Kajüte.
Seit Ima von Bord ist, ist die Küche einfacher geworden. Einfach, weil ich abends hundemüde bin. So gibt es mal wieder Spagetti mit Pesto (zumindest peppe ich die Pesto ganz imänisch mit frischer Petersilie auf) und nach ein paar Seiten in meinem Roman fallen mir die Augen zu.
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Dieser Blog Eintrag spielt am 21.8.2014
Echt schade mit deinem verkürzten Urlaub. Ist auch ein bisschen ärgerlich, dass der Kollege penetrant nicht erreichbar ist. Aber gut.
Ja. Ist dumm gelaufen. Er ist Anhandybet. (Oder wie auch immer man das nennt) Benutzt das Handy wirklich nur zum Telefonieren … Nicht mal SMS.
„Anhandybet“
made my day…
Die Schleuse ist immer für eine Story gut. Meine kannst du unter FB „Sunbeam25“ nachlesen.
Zu deinem Kumpel: hoffentlich wirste dann nicht auch noch enttäuscht und er sagt die Überführung ab. Schon öfter erlebt und sehr enttäuschend. Da verliert man seinen Glauben an die Menschen…
Na da war ja was los bei Euch. Dagegen ist es bei uns wirklich gesittet zugegangen!
Ist halt alles relativ…
Dein Link funktioniert übrigens nicht. Habe Deine Gruppe händisch im Facebook gesucht.
Liebe Grüße
Klaus