Hinter uns schließt sich die Klappbrücke Guldborgs wieder. Die Sonne scheint von einem blauen Himmel. 3-4 Windstärken sind angesagt. Néfertiti gleitet durch das kaum bewegte Wasser Richtung Großer Belt. Der Südost weht mit zwei Windstärken. Rund Fyn habe ich mir gestern abgeschminkt. Noch drei, vier Tage, dann muss Ima nach Hause, sich auf den ersten Rohschnitt vorbereiten.
Néfertiti hat ihre braunen Schwingen ausgebreitet. Ich rigge den Bullenstander und den improvisierten Spibaum. Eine andere Yacht hat vor uns die Brücke passiert. Segelsetzen dauert drüben länger (Wir haben das Groß stehen gelassen und den Kegel gesetzt, als wir durch die Brücke motort sind.) so dass wir einen kleinen Vorsprung heraus segeln, bevor die anderen wieder auf Kurs sind. Schmetterling segeln. Aber die anderen haben irgendwann doch noch ihren Spinnaker gesetzt und holen uns ganz gemächlich wieder ein. Winken. Weit voraus nähert sich ein Motorboot. Bei Ledas Grund ändert es dem breiten Fahrwasser folgend den Kurs.
Ich schenke mir einen Tee ein und genieße das gemächliche Segeln. Wir haben so gerade Steuerwirkung. Ima sichtet Filmmaterial in der Kajüte. Das Motorboot ist inzwischen auf 300 m heran und hält genau auf uns zu. Mein Blick schweift über die Landschaft. Dieses Fleckchen hier hat uns mit Dänemark ausgesöhnt. Als mein Blick wieder nach vorne geht, erstarre ich vor Schreck. Das Motorboot ist jetzt auf 50 m heran und rast mit Full Speed genau auf uns zu. Und Néfertiti liegt fast bekalmt…
Dabei sehe ich doch ganz deutlich einen Kopf am Außensteuerstand, der in unsere Richtung guckt! Keine Zeit für ein Ausweichmanöver ohne Fahrt. Wir könnten allenfalls andrehen und dann trifft der uns breitseits. Und bis der Motor läuft… Ich springe den Niedergang hinunter und reiße das Seenotschapp auf.
„Halt dich fest!“
„Was?“ Schon habe ich die Tröte am Mund und noch während ich den Niedergang hochschieße, gebe ich Signal: 5 mal kurz (Ich mache sie auf ihre Ausweichpflicht aufmerksam). Jetzt sind es nur noch zehn Meter. Ich bleibe auf der Niedergangstreppe stehen, um mich im letzten Moment hinter den Kajütaufbau zu ducken. Gebe noch einmal das Schallsignal.
„Ima: Halte dich fest!“ Jetzt ändert das Motorboot den Kurs minimal und donnert drei Meter an uns vorbei. Am Ruder sitzt ein etwa 60 jähriger Däne und hält seine Bierwampe in die Sonne. Hat die Stirn uns fröhlich zu zuwinken.
„Hältst du das für seemännisch?!“ Er versteht nicht. Néfertiti schlingert im Schwell.
„Hältst du dich für einen Seemann?!“ Ima zwängt sich neben mir den Niedergang hoch, sieht das Kielwasser und erfasst die Situation. Sie drückt es internationaler aus:
„IDIOT!!!“ So laut gebrüllt, dass mir die Ohren klingeln. Ich glaube, das hat er verstanden.
Stunden später. Néfertiti läuft mit fröhlich glucksender Bugwelle durch eine weiß gesprenkelte See. Das sind mal wieder mehr als 3 bis 4 Windstärken. Die Sonne scheint und Vejrø taucht im Dunst auf. Eine Welle hebt Néfertitis Heck, dreht sie nach Steuerbord. Néfertiti krängt. Die Genua beult sich ein, die Welle läuft durch und dreht Néfertiti wieder auf Kurs. Wir rollen auf die andere Seite. Flapp! Schlägt die Genua wieder voll und eine Erschütterung geht durch das ganze Boot. Da hebt die nächste Welle Néfertitis Heck.
„Klaus!“ Kommt es von unten: „Mir ist schlecht.“
„Warum liest du auch?“
„Ist gerade so spannend.“
Aha. Aber mein Körper erinnert sich auch an die Seekrankheit von vorgestern. Sobald ich daran denke, meine ich den bitteren Geschmack auf der Zunge zu schmecken und im Bauch kann ich noch die Verkrampfungen nachspüren. Fühlt sich an wie Muskelkater. Nicht dran denken!
Wieder hebt eine Welle Néfertitis Heck.
„Kannst du nicht irgendetwas machen?“
„Wüsste nicht was.“
Naja. Vielleicht könnte ich die Genua reffen und als Stützsegel dicht holen. Ich gehe auf das Vordeck und nehme den improvisierten Spibaum weg…
Tatsächlich wird das Rollen gebremst. Die Genua flappt immer noch, aber es geht nicht mehr jedes Mal ein Ruck durch das ganze Boot. Super! Wir sind nur einen halben Knoten langsamer. Der Skipper ist zufrieden:
„Und?“
„Ich merke keine Veränderung.“
Banausin.
Später. Néfertiti steht kurz vor Omø. Von achtern kommt eine große Yacht schnell auf. Genua und Groß im Schmetterling. Sieht toll aus. Wie die ausgebreiteten Schwingen eines Engels …
Als sie näher heran sind, greife ich zum Fotoapparat. Komisch. Die rollen kaum. Aphrodite. Als sie uns dichtbei überholen, greift der Mann drüben ebenfalls zum Handy und macht Fotos von Néfertiti.
„Segelt ihr nach Omø?“ Er versteht mich nicht.
„NACH OMØ?!“ Er nickt und hebt den Daumen. Ich werte es als Bejahung. Dann sind sie vorbei.
Die Aphrodite ist längst im Hafen, als Néfertiti die letzte Tonne passiert. Wie segeln auf der 5 m Linie an der Hafeneinfahrt vorbei. Eine Bö fällt ein und im Landschutz Omøs pflügt Néfertiti plötzlich mit 5 ½ Knoten Richtung Ankerplatz. Wir gehen hinter der Steilküste in den Wind und ankern auf 3,5 m Wassertiefe. Sollte der Wind nachts umspringen, kommen wir hier leicht wieder weg. Ich fasse mit der Hand nach der Kette. Alles normal. Néfertiti schwoit. Plötzlich geht ein komischer Ruck durch die Kette, dann ist wieder alles normal. (Ruckeln deutet darauf, dass der Anker über den Boden geschleppt wird, ohne sich einzugraben.) Aber die Ankerpeilung ändert sich nicht (Was man mit einiger Sicherheit allerdings erst nach einer längeren Beobachtung sagen kann). Da wieder. Ich gebe mehr Kette. Einen Moment denke ich, dass das geholfen hat, da springt die Kette wieder so komisch. Auf der anderen Seite kommt die Kette steif und löst sich wieder (Das ist normal, wenn der Anker gefasst hat.) Wieder geht dieser seltsame Ruck durch die Kette. Dann versteh ich: Die Kette hakt an einem Felsbrocken auf dem Meeresgrund. Wenn wir schwoijen springt sie, sobald der Winkel groß genug ist. Mit Leine wäre das ein Problem. Ima ist vom Cockpit zu mir nach vorne gekommen:
„Und liegen wir sicher?“
„Ja. Ich denke schon.“
„Ich möchte gerne an Land.“
„Ok.“ Die Bö lässt auch wieder nach.
Ich pumpe Echna auf und wir rudern zu dem Steinstrand hinüber. Omø ist wunderschön. Ich bedaure, meinen Fotoapparat an Bord gelassen zu haben. Ima möchte Richtung Leuchtturm. Ich zur Aphrodite, um eine Emailadresse zu erfragen und ihnen die Fotos schicken zu können. Aber erst einmal begleite ich Ima. Langsam geht es ihr besser. Sie sagt:
„Bin halt ein Steinbock und brauche Erde unter den Füßen.“ Wir setzen uns auf eine Bank und schauen auf das Meer hinaus. Saugen die Stimmung in uns auf. Nach einer Weile sagt Ima:
„Du willst zum Hafen, oder?“
„Ja. Du nicht?“
„Nein, ich möchte gerne ein bisschen alleine sein. Wir können uns ja später beim Schlauchboot treffen.“
„Ok.“ Während ich die Stufen zum Weg hinunter gehe, ruft sie mir nach:
“Klaus!“
„Ja.“
„Frag nach Internet!“ Der Fluch der Moderne.
Ich bin fast am Hafen angelangt, als mir ein sympathisches Paar entgegenkommt. Ich bin schon vorbei, aber irgendwie kommen mir die beiden bekannt vor. Ich drehe mich um und sage:
„Seid ihr von der Aphrodite?“
„Ja. Warum?“
„Ich bin gerade auf dem Weg zu euch. Habe Fotos gemacht und bräuchte eure Email Adresse, um sie euch zu schicken.“ Ich schließe mich den beiden an. Wir spazieren gemeinsam (zurück) den schmalen Uferweg entlang und unterhalten uns. Sind vom ersten Moment an auf einer Wellenlänge. Die beiden segeln seit 50 Jahren.
„Habe mit meinem Klaus ein Folkeboot gebaut.“ Respekt.
„Du heißt auch Klaus?“
„Ja.“
„Sagt mal: Wieso hat euer Boot praktisch nicht gerollt?“
„Vorsegel und Groß sind so ausgewogen, dass wir kaum rollen.“ Wow. Wenn ich das für Néfertiti auch hinbekäme… Da ruft es vom Strand:
„Klaus!“ Zwei Kläuse drehen den Kopf. Ima sitzt auf den Steinen und gesellt sich nur zögernd zu uns. So menschenscheu kenne ich sie gar nicht. Ich hatte von Imas Seekrankheit erzählt und die Frau sagt:
„Ich segele seit 50 Jahren. Seekrankheit gehört dazu. Sie kommt und geht… Man muss sie einfach hinnehmen.“ Ima guckt sie seufzend an:
„Das habe ich schon befürchtet.“ Allerdings hat sie auf der ganzen Fahrt weder Coculus noch Vitamin C genommen…
Die beiden spüren Imas Scheu und verabschieden sich, schlendern Hand in Hand zurück, während Ima und ich uns an den Strand setzen. Auf dem Rückweg ernten wir noch Hagebutten. Ima kocht nach schwedischem Rezept eine Hagebuttensuppe. Danach gehen wir in die Koje. Der Wind singt im Rigg. Nicht gerade ein Schlaflied, aber wir liegen hier geschützt unter Land und bald höre ich Imas gleichmäßige Atemzüge. Kurz darauf bin ich wohl auch eingeschlafen.
♦♦♦
Dieser Blog Artikel spielt am 6.8.
Ja, die Aphrodite, Ich nehme an, du meinst die Classic-Linie von Najad. Tolle Schiffe. Aber ich bin mit unserer Snugata (Najad 343) auch sehr zufrieden. Die können was, die Bootsbauer von der Insel Orust
Ich setze noch ein zusätzliches Foto in den Text. Das Unterste. Vielleicht kannst Du es da besser erkennen. Ich weiß nur den Namen, nicht den Typ … Ich kann mir vorstellen, dass beim Nicht-Rollen ein breites Schiff Vorteile hat.
Liebe Grüße
Klaus
Ja, ist ne kleine Najad Aphrodite. Der Aufbau, die festen Scheiben, die roten Streifen. Muß schon älter sein, ein tolles Schiff