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Segeln als Digitale Nomaden

Segeln ohne Geld: Entscheidung

Jan• 22•16

Es ist kalt geworden. Schnee liegt auf Néfertitis Deck und macht es schlüpfrig. Ich schließe den Niedergang auf und steige in die gemütliche Wohnhöhle hinab. Bin mit der Fähre zum Boot gefahren, um nach dem Rechten zu sehen. Und eine Entscheidung zu treffen. 

Ich schließe alle Schranktüren, die ich der besseren Belüftung wegen offen gelassen hatte, und hebe die Bodenbretter hoch, um in die Bilge zu sehen. Alles bestens. Das Wasser in den Flaschen ist teilweise gefroren. Aber es gelingt mir einen Rest flüssigen Wassers in den Kessel zu füllen. Ich öffne den Gashahn und setze Teewasser auf.

Wenig später sitze ich in der dicken Daunenjacke auf meiner Koje, ein Muck dampfenden Ostfriesentees in der Hand (Mit Kluntjes und Sahne). Wenn ich diesen Sommer segeln sollte, werde ich Ima lange nicht sehen. Sie will kein halbes Jahr an Bord verbringen. Ich habe auch kaum das Geld für die Reise. Und Néfertiti braucht eine Reihe von Dingen. Z.B. Neue Segel. Unbezahlbar. Mein Blick wandert über die Holzmaserung, fährt an den Schapps und Borden entlang, bleibt am Barometer hängen.

Ich nehme noch einen Schluck Tee. Ohne es so richtig zu merken, hat sich meine Stimmung aufgeheitert. Irgendetwas hat sich geändert. Ein leises Glücksgefühl zieht durch mein Inneres, während sich meine Atemwolken mit dem Dampf aus dem Becher mischt. Irgendwie hat sich die Entscheidung von selbst getroffen. Vielleicht war sie schon längst gefallen und ich hatte es mir nur nicht eingestanden. Vielleicht schon auf der Autofahrt mit Lutz.

Plötzlich steht alles ganz klar vor meinem inneren Auge. Ich werde segeln. Diesen Sommer. Ich habe zwar kein Geld, aber es muss doch möglich sein, auf Reisen vom Reisen zu leben! Ich habe das früher schon mehrfach gemacht. Auf der letzten Rucksackreise bin ich mit zwanzig DM in der Tasche und meinem Saxophon aufgebrochen und habe einen wundervollen Sommer in Frankreich verlebt, der zu den glücklichsten Erinnerungen meines Lebens zählt. Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Néfertiti wiegt sich leicht im Schwell einer vorbeifahrenden Barkasse.

Meine Stimmung wird euphorisch. Ich werde ein Buch über diese Reise schreiben. Der Titel wird sein: Segeln ohne Geld. (Das ist natürlich eine der Pointe geschuldete Übertreibung, aber ich werde versuchen auf Reisen vom Reisen zu leben.) Das Buchhonorar für die 111 Gründe wird helfen. Ich werde versuchen einen Sponsor zu finden. Und ich habe ein Pfund mit dem ich wuchern kann: Euch! Die tollen Kommentare, die ich in den letzten Jahren von Euch bekommen habe.
Drückt mir mal die Daumen!

Bin plötzlich voller Tatendrang. Erstelle eine Liste mit Dingen, die Néfertiti braucht, unterteile sie in unbedingt nötig, ganz schön und Luxus. Es ist längst dunkel, als ich aufbreche. Merke erst jetzt wie steif ich von der Kälte bin. Ich spüle die Muck ab, öffne wieder alle Schranktüren und steige an Deck. Schließe den Niedergang hinter mir ab und laufe beschwingt zur Fähre.

Als ich nach Hause komme, begrüßt mich Ima im Flur. Nimmt mich in den Arm:
„Und wie geht es Néfertiti?“
„Gut.“ Ich hole tief Atem und sage:
„Ich werde diesen Sommer segeln!“
„Bist du sicher, dass wir so lange ohne einander sein können?“
„Nein, aber ich will segeln.“ Sie sieht mich an und spürt, dass es mir Ernst ist. Ich rechne mit heftiger Gegenwehr, aber sie sagt nur:
„Ok.“

 

 

♦♦♦

 

(Ich werde hier von den Vorbereitungen der geplanten Reise schreiben. Da die Artikel sich noch eine Weile mit den Artikeln der letzten Reise überschneiden werden, setze ich zur besseren Orientierung solange den Namen des diesjährigen Törns mit in den Titel)

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17 Comments

  1. Julian Buß sagt:

    Glückwunsch zu der guten Entscheidung! Zeit für so eine Reise zu haben ist wichtiger als Geld. Das wird sich finden.

  2. Sebastian sagt:

    Na endlich :) Wobei ich Ende November schon den Eindruck hatte als hätte die Entscheidung fest gestanden, so begeistert wie du davon gesprochen hast.
    Sollte es an Cuxhaven vorbei gehen meldest du dich. :)
    Und viel Erfolg bei der Sponsorensuche!
    Grüße,
    Sebastian

    • Klaus sagt:

      Es gibt da einen kleinen aber feinen Unterschied: Begeistert davon reden oder es auch wirklich anpacken sind zweierlei. Davon träumen (reden) tue ich schon seit Jahren. Auch begeistert. Diese Zeit hat ihren Wert. Wie das Raupenstadium.

      Aber jetzt hat der Traum eine andere Qualität gewonnen. Jetzt verpuppt er sich, um im Frühling ein Schmetterling zu werden … :)
      Danke für die guten Wünsche
      Liebe Grüße
      Klaus

  3. Hej Klaus, als langjähriger Leser deiner Zeiten freue
    ich mich über deine/eure Entscheidung. Vll sieht man sich 2016
    In einer Ankerbucht.
    VG Grüße Walter

  4. Axel von der Pirola sagt:

    Lange nichts voneinander gehört, und jetzt diese tolle Nachricht. Glückwunsch zu Deiner Entscheidung für diese Sommerreise.
    Ich werde im Februar auf Reisen sein, aber wenn ich zurück bin (Ende Februar) sollten wir Kontakt haben, um zu prüfen wie ich deine Reise mit Ausrüstung, Karten, Handbücher usw.
    unterstützen kann.

    Viel Glück und Erfolg
    Axel

    • Klaus sagt:

      Mensch Axel,
      das klingt ja toll. Danke Dir.
      Viel Spaß auf Deinen Reisen. Melde Dich wenn Du zurück bist, wahrscheinlich weiß ich dann auch endlich, wo es hingehen soll… Zumindest die Himmelsrichtung ;)

      Liebe Grüße
      Klaus

  5. Kerstin sagt:

    Lieber Klaus,

    wie schoen. Wir freuen uns jetzt schon auf Deine Berichte.

    Und was das Reisen ohne Geld betrifft, wir haben in den letzten Jahren eine grosse Zahl segelnder, reisender Menschen getroffen. Ich koennte Dir jetzt spontan eine Hand voll Bootnamen aufzaehlen, deren Crews gluecklich mit kleinstem Budget und auf einfachem Boot unterwegs waren/sind.
    Ich koennte Dir doppelt so viele Geschichten erzaehlen von grossen Budgets und von mit Technik vollgestopften Yachten, deren Crews sich um die Welt quaelen, damit sie zu Hause irgendwann als Weltumsegler ankommen.
    Als wenn das so wichtig waere…..

    Fahr los. Lieber heute als morgen, besser mit kleinstem Budget als nie, mit einem stabilen Boot, das Du kennst und liebst. Und einem Saxophon und deinem Talent das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden und darueber zu schreiben.
    Was soll da schief gehen?
    Tolle tolle Nachricht!

    Liebe Gruesse und hab Spass bei den Vorbereitungen, Kerstin

  6. Klaus sagt:

    Liebe Kerstin,
    Du bist ein wunderschöner Mensch. Ich liebe die Art, wie Du Sachen wahrnimmst und dann auch ausdrückst. Danke für das Mut machen.

    Mitunter dauert es bis ich Große Entscheidungen treffe, ich wäge alles genau ab, lieber dreimal als zweimal. Deshalb habe ich auch deine diesbezügliche Frage in einem früheren Kommentar nicht erschöpfend beantwortet… Aber wenn dann eine Entscheidung gefallen ist, fühle ich glücklicherweise kein inneres Schwanken mehr, wie ich das von manch anderem kenne. Ich freue mich wahnsinnig auf den Sommer!

    Liebe Grüße auch an Helmut
    Klaus

  7. Erhard sagt:

    Hallo Klaus,

    für den einen eine nicht nachvollziehbare Entscheidung, aber für andere genau die Richtige! Ich finde es Klasse, wenn Du Dich auf das „Abenteuer“ einlässt! Es wird mit Sicherheit eine tolle Erfahrung werden! Irgendwann kommt der Punkt, wo Du nicht mehr einfach mal für ein paar Monate fort kannst. Also besser jetzt die Träume erfüllen und jahrelang, später im Job davon zehren. Ich bin ganz sicher, das Dir ganz viele Menschen gerne helfen werden, sollte es einfach mal „eng“ werden. Weil irgendwie tust Du das wovon viele träumen.
    Ich freue mich schon jetzt auf Deinen Blog und auf das Buch. Deine Schreibe ist lebendig und sorgt immer für gute Laune und das ist in der heutigen Zeit sehr, sehr viel wert.
    Ich drücke Dir die Daumen, dass Du wirklich los kommst und einen unvergesslichen Törn erlebst.
    Lass uns teilhaben!

    Gruß Erhard

    • Klaus sagt:

      Lieber Erhard,
      danke für diesen schönen Kommentar. Für gute Laune sorge ich auch gerne weiterhin… ;) und klar lasse ich euch teilhaben. Vielleicht auch (anders als bisher) schon während des Törns eine kurze wöchentliche Standortmeldung und dann im Winter wieder wie gewohnt der ganze Törn ausführlich. Schließlich wird das viel mehr Material sein als auf den letzten Törns. Aber ich denke noch darüber nach…
      Liebe Grüße
      Klaus :)

  8. Charly sagt:

    Hallo,

    man muss auf sein Gefühl hören. Wer weiß, ob so eine Chance je wieder kommt. Und vielleicht kannst Du Dein neues Buch mit so einem Crowedfunding-Konzept schon vorher vermarken. Ich jedenfalls würde das Buch ohne zu zögern vorbestellen und es jetzt schon bezahlen.

    An dieser Stelle wollte ich mich einmal dafür bedanken, das Du mir das Revier Südholland aus einer vollkommen neuen Perspektive gezeigt hast. (die Anfänge Deines Blogs). So kannte ich das Revier, auf dem ich auch einige Tage verbracht habe, garnicht. Danke das Du uns an Deinem Segelleben teilhaben lässt.
    Liebe Gruüße
    Charly

    • Klaus sagt:

      Lieber Charly,

      das ehrt mich. Ich freue mich total über Dein Vertrauen, das da zum Ausdruck kommt. Das baut auf… Ich beschäftige mich tatsächlich gerade mit den ganzen Möglichkeiten den Törn zu finanzieren … Irgendwie wird das schon klappen. ;)

      Ich finde auch Du hast Recht, was das Bauchgefühl angeht. In seinem Innersten weiß man, was gut für einen ist. Es ist nur manchmal schwer dem zu folgen.

      Liebe Grüße
      Klaus

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