Ich bin auch heute früh auf den Beinen. Telefoniere mit Ima. Sie ist entsetzt, dass ich die Batterie zurück geben will und mir erst in Deutschland eine neue kaufen.
„Mit nur einer schwächelnden Batterie solltest du bitte nirgends hin segeln. Behalte die zweite, auch wenn sie nicht so funktioniert, wie du dir das vorstellst!“ Néfertiti hat zwei Batterien.
Ich verspreche Ima nichts, aber komme ins Grübeln. Den Motor nicht starten zu können, weil die Nacht über das Ankerlicht die eine Batterie leer gelutscht hat… Zudem werde ich bald David an Bord haben, für den ich verantwortlich bin…
Ich gehe vor zum Ausrüster. Natürlich hat er um diese Uhrzeit noch geschlossen, aber ich finde auch keinen Hinweis auf die herbstlichen Öffnungszeiten. Wenn er um zehn öffnet… Bis dahin würde ich über zwei Stunden warten. Dann der Umbau… Wenn er erst um elf öffnet… Und warum hatte er gestern nicht auf? Kurz entschlossen buche ich die Batterie unter Lehrgeld ab und mache Néfertiti seeklar. Ima wird es erleichtern. Schicke ihr eine SMS.
Gegen Neun läuft Néfertiti aus. Perfekter Wind. Kaum sind wir durch die enge Hafenausfahrt geschlüpft setze ich den Genaker. Das wird eine Sausefahrt! Ich beglückwünsche mich Imas Rat gefolgt zu sein und nicht auf den Ausrüster gewartet zu haben. Zehn Minuten (!) später dreht der Wind um fast 180°. Ich berge den Genaker und wir segeln hoch am Wind mit gelegentlichen Holeschlägen südwärts. Etwas langsam, aber wunderschön. Von achtern kommt die Eisbeere auf. Sie halten sich weiter weg vom Land und überholen uns weit in Luv. Übermütig tröten sie mit dem Nebelhorn ihren Salut herüber und ziehen vorbei.
Néfertiti nähert sich Norsminde. Noch sind wir nicht vollkommen abgeschlagen. Ich hoffe, auf dem Flachen weniger Gegenstrom zu finden. Südlich der Hafenzufahrt wird es dann aber mit 1,70 m und 1,50 m auch für uns zu flach. Ich wende und sobald ich die Untiefentonne anliegen kann, wende ich wieder zurück. Der Wind erstirbt. Zehn Minuten später kommt er zurück. Raumt. Ich kann mit halbem Wind den Genaker setzen. (Bislang habe ich den Genaker immer als Zusatzsegel für leichte Winde gesehen, aber eigentlich sollte er auf Néfertiti als Arbeitssegel betrachtet werden. Meist segeln wir ohnehin bei Windstärken, die den Genaker zulassen, und er deckt auch einen weiten Kursbereich ab.)
Segeln ist herrlich. Zufällig weiß ich, dass sie auf der Eisbeere nur einen Blister haben und für den dürfte der Kurs noch etwas zu steil sein. So macht sich Néfertiti an die Verfolgung. Holt langsam aber stetig auf. Das ist meine Revanche! Es kommt noch besser. Die anderen liegen plötzlich beim Windpark bekalmt, während wir mit über drei Knoten segeln. Heidewitzka: 4 Knoten!
Allerdings ist abzusehen, dass das Vergnügen nicht von Dauer sein wird. Denn vor uns zieht sich eine geschlängelte Linie durch das Wasser. Vor ihr ist das Wasser vom Wind gekräuselt. Dahinter wie Wachs. Die Eisbeere steht hinter dieser Linie. Ich suche mir die Stelle aus, die mich am Weitesten bringt, wo die Schlangenlinie am Weitesten ausschwingt. Wäre doch gelacht, wenn wir die anderen nicht überholen könnten…
Am Ende liegen Eisbeere und Néfertiti zweihundert Meter nebeneinander bekalmt. In bleierner Flaute, während hundert Meter hinter uns schönster Segelwind herrscht! Ich berge das Groß in der trügerischen Hoffnung den Genaker zum Stehen zu bringen. Auf der Eisbeere experimentieren die drei mit dem Blister. Nicht mal Steuerwirkung haben wir. Schließlich kommt ein Hauch von Wind auf. Aus Süd. Ich berge den Genaker und setze Groß und Genua. 0,5 Knoten. Dann schläft die Brise wieder ein. Die Eisbeere wirft den Motor an und marschiert weiter. Eine halbe Stunde später berge auch ich die Segel und mache ich es ihnen nach. Da ist die Eisbeere allerdings längst außer Sicht.
Néfertiti läuft unter Motor durch das enge Fahrwasser vor Hov. Kaum haben wir die Engstelle passiert, meldet sich der Wind zurück. Aus Südost. Ich setze Genaker und Groß, und das Vorliek des Genakers so stramm, dass ich fast hoch am Wind segeln kann. Mit drei bis vier Knoten rauschen wir auf den Svanegrund zu. Die flachste Stelle soll 2,20 m sein. Wir treffen die Rinne ganz gut. Für uns wird es nirgens flacher als 3,50 m. Ursprünglich hatte ich auch einen herbstlichen Besuch Aebelös in Erwägung gezogen. Als Kontrast zu unseren sommerlichen Erfahrungen. Wo es gerade so gut läuft, will ich noch ein Stückchen weiter segeln als Endelave. Aber Néfertiti murrt, kaum dass ich die Entscheidung getroffen habe. Sie tritt in den Bummelstreik. Die Logge fällt auf 2,5 Knoten. Es dämmert bereits. Also doch Endelave! Kaum ist die Entscheidung revidiert, lacht Néfertiti mich wieder an und beschleunigt auf 4 Knoten… So rauschen wir auf den Hafen Endelaves zu. Aber der Wind kommt immer spitzer.
Plötzlich verspüre ich ein dringendes menschliches Bedürfnis. Ich versuche es zu ignorieren. So kurz vor dem Ziel, aber es wird immer drängender. Schließlich rigge ich wieder besseren Wissens die Windfahnensteuerung und haste unter Deck. Wider aller Erfahrungen der letzten Tage hält Néfertiti Kurs, bis ich wieder zurück bin. Ich gehe vor den Wind und berge den Genaker. Setze die Genua und laufe jetzt richtig hoch am Wind mit zwei kurzen Holeschlägen auf den Ankerplatz zu. Der Himmel färbt sich orange. Majestätischer Sonnenuntergang. Gleichzeitig wird es frisch. Man spürt den nahenden Herbst.
Vor der Hafenmole jenseits der Zufahrt rolle ich die Genua ein, fahre einen Aufschießer und gebe den Anker ins Wasser. Nachdem Néfertiti eingetörnt ist, liegen wir auf 3 m Wassertiefe. Perfekt. Ich berge das Groß und werfe noch einmal die Maschine an, um den Anker einzudampfen.
Dann ziehe ich mich in die warme Kajüte zurück. Zünde Kerzen an und koche mir etwas Warmes. Sitze glücklich auf meiner Koje. Was für ein toller Segel- … und Motortag! Morgen werde ich mir Endelave anschauen und übermorgen David in Fredericia abholen.
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Dieser Eintrag meines Segelblogs spielt am 21.9.
Lieber Klaus,
macht einfach Spaß, an dieser Freude teilhaben zu dürfen
Liebe Grüße – Christian
Ach Christian, es macht wirklich Spaß, wieder für Euch zu schreiben!
Liebe Grüße
Klaus
Wir haben den SO an dem Tag noch nutzen können und sind noch mit dem Blister bis nach Fredericia. Wir riggen bei den Kursen dann immer den Spibaum dazu, dann können wir auch gut raum- oder vorwind segeln. War nen toller Tag. Ich erinnere mich aber auch noch, dass es recht frisch wurde nachdem die Sonne weg war.
In 2017 bin ich mit meiner Frau auch nach Endelave – schöne Insel!
Ja, Endelave war toll! In Fredericia habe ich David abgeholt. Die Stadt fand ich etwas … ähm … gewöhnungsbedürftig. Aber davon wird noch zu erzählen sein.