Am nächsten Morgen herrscht schönster Segelwind. West um vier. Allerdings ist es herbstlich frisch. Alle Scheiben sind beschlagen. Ich mache klar Schiff. Leere ein Fach im Schrank und auch ein Schwalbennest für David, damit er seine Sachen unterbringen kann. Putze und striegele Néfertiti, bis alles gemütlich blitzt und blinkt. Dann schrubbe ich das Deck. Von René und Marlies habe ich den Tipp, dafür den Morgentau zu nutzen. So hat auch der Herbst etwas Gutes, denn der herbstliche Tau hat sich überall an Deck niedergeschlagen
Schließlich gehe ich ankerauf und laufe das letzte Stückchen nach Fredericia unter Motor. Fahre unbeobachtet eines meiner besten Anlegemanöver mit Seitenwind an die Pfähle. Davon abgesehen bin ich eher geschockt: Was für ein hässlicher Hafen. Was für ein potthässlicher Hafen! Zehn Meter hinter dem Hafenbecken verläuft eine viel befahrene vierspurige Straße. Hoffentlich hat David Lust gleich wieder auszulaufen. Auch wenn es nur bis Middelfart wäre…
Ich nehme meinen Rucksack und den Müllsack und breche auf, um einzukaufen und später David abzuholen. Inzwischen ist auch die Sonne herausgekommen. Vor dem Müllcontainer des Hafens mache ich ein ziemlich dummes Gesicht. Abgeschlossen. Damit hier nur ja niemand unberechtigt seinen Müll entsorgt.
Also stapfe ich mit leerem Rucksack auf dem Rücken und vollem Müllsack in der Hand an der vierspurigen Straße entlang. Auf den Bus müsste ich eine halbe Stunde warten. In der Zeit werde ich auch zu Fuß am Bahnhof sein… Ich bin die vorbei rasenden Autos nicht mehr gewohnt und heilfroh, als ich die vierspurige Straße hinter mir lassen kann. Tatsächlich finde ich am Bahnhof einen öffentlichen Mülleimer, in dem ich meinen Müll entsorgen kann.
Fredericia ist eine alte Kasernenstadt und stolz auf ihre militärische Vergangenheit. Überall stehen Militaria. Bevor man das Zentrum erreicht, überquert man die alten Wehrgräben. Kriegerdenkmäler oder Kanonkugeln, wo man hinschaut. Selbst die Stadtbäume haben eine symbolische Wehreinfassung genauso wie das Stadtbächli. Sogar die Ampelmännchen sind bewaffnet! Ich bin jedem dankbar, der gedient hat. Militär, das verteidigt, ist gut und wichtig. Wahrscheinlich anerkennen wir in Deutschland die Arbeit unserer Soldaten nicht genug. Aber warum müssen es immer diese Extreme sein. Kann es nicht einen Mittelweg geben zwischen Militärverherrlichung und Geringschätzung?
Ich schlendere ins Zentrum. Es fängt an zu regnen. Habe noch etwas Zeit, bis David ankommt und rette mich in ein Café, das den Namen eines klassischen Komponisten trägt. Bestelle ein Glas Leitungswasser und einen Kaffee. Man bezahlt hier gleich am Thresen. Irgendwie werden Fredericia und ich nicht richtig warm miteinander: Der Kaffee kostet fast zehn Euro und das Glas Leitungswasser (!) immerhin nur zwei. Das muss ja ein toller Kaffee sein! Ich erwarte zumindest Speicherstadtrösterei, aber als ich auf der Terrasse unter einem riesigen Schirm ein trockenes Plätzchen gefunden habe und koste… Der Kaffee schmeckt … naja. Ich mache ein Foto und schicke es mit einem Kommentar zu Ima, die gerade online ist. Sie macht sich über mich lustig: Es sei umgekehrt: Der Kaffee schmecke mir nicht, WEIL er zehn Euro koste… Zur Ehrenrettung des Cafés sei gesagt, dass ich gerne laschen Kaffee mag, schwach, viel Milch, während in dem Kaffee hier der Löffel stehen bleibt…
Schließlich kommt die Sonne wieder hervor und ich laufe zum Supermarkt, kaufe ein paar frische Sachen ein und schlendere gemütlich zum Bahnhof. Kurz darauf fährt der Zug ein. David steigt aus und kommt grinsend auf mich zu:
„Hallo, Klaus!“
„Hallo, David. Schön, dass du da bist.“
Der Rückweg zum Hafen scheint viel kürzer zu sein. Auf alle Fälle kurzweiliger. David erzählt von der Reise und ein Bisschen von seinem Kummer. Eigentlich sollten wir heute noch etwas Strecke machen, bei den guten Bedingungen. Am Sonntag sind 6 Windstärken angesagt.
Als ich vorsichtig auf den Busch klopfe, sagt David:
„Ich bin dabei. Auf alle Fälle. Lass uns segeln!“
Cool!
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Dieser Eintrag unseres Segelblogs spielt am 23.9.
Solche Ampelmännchen hab ich ja noch nie gesehen. Sonst kennt man ja neben den normalen nur die aus Berlin.
Wir haben in F ja nur einen Übernachtungsstop gemacht und sind morgens direkt weiter – anscheinend haben wir ja nix verpasst
Von der Militärherrlichkeit mal abgesehen, die ja irgendwie auch skuril ist, hatte das Städtchen schon etwas. Die Ampelmännchen gab es auch nur in der Innenstadt… Ist wohl eine alte Kasernenstadt.
Liebe Grüße
Klaus