Es dämmert. Die See liegt ruhig und unbewegt. Lässt sich wohlig von Néfertiti den Rücken kratzen. Der gute Segelwind nimmt allerdings langsam aber sicher ab. Sollten wir den Genaker setzen? Aber es stürzen auch so schon so viele neue Sachen auf David ein… Außerdem segeln wir in die Nacht hinein… also belasse ich es wie es ist. Genua und Groß. Brandsö bleibt an Steuerbord liegen.
Beruhigend blinkt das weiße Iso Feuer auf Aarö in die Dunkelheit und weist uns den Weg zwischen den Untiefen (und unbeleuchteten Tonnen) nördlich Aarös. Es ist jetzt richtig finster. An Steuerbord zieht ein Getöse unsere Aufmerksamkeit auf sich. Zwei seltsam blinkende Lichter und eine Wasserfontäne. (Fontäne ist übertrieben. Man kann es einfach nicht richtig erkennen, auch im Nachtglas nicht)
„Weißt du was das ist?“ Nee. Der Skipper muss passen. Das Was-auch-immer-das-ist liegt weit genug ab, als dass wir in unmittelbarer Gefahr wären. Nach einer Weile sagt David:
„Klingt wie ein Hubschrauber…“ Könnte sein. Aber warum schwebt ein Hubschrauber wenige Meter über der Wasseroberfläche. Stundenlang? Dann steigt der Hubschrauber, wir sind mittlerweile sicher, dass es sich um einen handelt, auf. Entfernt sich von dem anderen Licht, dreht eine Runde und kommt zurück. Vollführt das seltsame Manöver ein zweites Mal. (Wir werden es noch herausfinden. Siehe nächster Artikel Spione)
Wir sind inzwischen lange unterwegs. Unser Gespräch ist zum Erliegen gekommen. David hat relativ wenig über die Trennung gesprochen. Er scheint das im Kopf ziemlich klar zu haben. Viel klarer als ich nach der Trennung von Ulrike. Nach so einer kurzen Zeit! Vielleicht zeigt er aber auch nur seinen Schmerz nicht, um mich zu schonen. Wir kennen uns ja nicht wirklich. Jedenfalls empfinde ich einen tiefen Respekt für ihn. Néfertiti läuft auf das weiße Feuer des Leuchturms auf Aarö zu. Alles ist klar.
„Willst du etwas Navigation üben?“ Es ist schließlich Davids erste Nachtfahrt und er hat im Vorfeld erklärt, dass er möglichst viel lernen wolle.
„Ja. Gerne.“
„Guck dir die Karte an. Ich habe den Kurs in die Karte gezeichnet. Schau nach den Leuchtfeuern und ihren Kennungen und sieh dann mal, ob du sie in der Wirklichkeit findest.“
David steigt den Niedergang hinunter, schaltet das Licht über dem Kartentisch ein und arbeitet in der Karte. Kommt zurück an Deck und schaut voraus.
„Da ist das weiße Gleichtaktfeuer.“
„Gut.“ In dem Moment erlischt das Feuer. Das ist nicht nur komisch, sondern auch unglücklich, denn wir brauchen das Feuer für die sichere Durchfahrt. David dreht sich zu mir um:
„Ist das gerade ausgegangen?“
„Ja.“
„Kommt das oft vor?“
„Nee, so etwas habe ich noch nie erlebt.“ Gut, dass wir das GPS haben… David übernimmt das Ruder und ich widme mich dem Handy. Mein erster Verdacht, (dass wir so weit östlich stehen, dass wir soeben den abgedeckten Sektor des Leuchtturms verlassen haben) ist unbegründet. Außerdem blinkte das Licht eben doch noch weiß und nicht rot. Oder? Wir tasten uns mit Hilfe des Handys und des Echolots auf die rote Tonne vor.
„Was würdest du jetzt ohne GPS tun, David?“ Er überlegt einen Moment und sagt dann:
„Abdrehen und das andere Fahrwasser um Bagö herum nehmen.“ Genau das würde ich auch machen…
Inzwischen müsste die rote Tonne relativ nahe sein. Aber im Dunkeln ist die unbefeuerte Tonne nicht auszumachen.
„Luv etwas an, sonst donnern wir auf die Tonne.“ David luvt an, aber das Handy setzt uns weiterhin auf die Tonne zu.
„Stärker anluven!“ Wir starren backbord voraus, aber da ist nichts zu sehen. Irgendwo muss sie doch sein. Plötzlich entdecke ich zwei Schiffslängen entfernt einen Schemen. In dem Moment sagt David:
„Ich sehe die Tonne!“ Er zeigt auf den Schemen. Wir passieren die rote Tonne und haben uns damit gut in das Fahrwasser eingefädelt. Segeln durch die Nacht. Langsam ziehen die Lichter von Aarösund vorbei. Leichtes Meeresleuchten.
Néfertiti schlüpft durch den Engpass zwischen Aarö und Aarösund. Hier ist Ima auf der Herfahrt aus der Koje gefallen… Der Wind hat weiter abgenommen. Néfertitis Bugwelle ist ein Flüstern geworden. Aber jetzt ist es nicht mehr weit. Unser Ankerplatz liegt auf Halk Grund.
Es ist mittlerweile zwei Uhr nachts. Néfertiti strebt dem Ufer zu. Wir segeln an die Steilküste heran, bis die Wassertiefe 3,70 m beträgt. Der Boden steigt hier sehr flach an. Ideal zum Ankern.
„Wenn die Tiefe unter 3 m sinkt, sag Bescheid!“ Ich rolle die Genua ein und bereite das Ankergeschirr vor.
„Tiefe?“
„3,50 m!“
„Aufschießen!“ David dreht Néfertiti in den Wind. Als Néfertiti zum Stillstand gekommen ist, gebe ich den Anker ins Wasser. Lasse einen Moment verstreichen und lege die Hand auf die Kette: Deutliches Ruckeln.
„Komm mal nach vorne.“ David turnt zum Vorschiff.
„Lege die Hand auf die Kette und sage mir: Hält der Anker?“
„Habe ich noch nie gemacht.“
„Wenn er nicht hält, wirst du es sofort merken. Auch wenn du das noch nie gemacht hast.“ Während David nach der Kette tastet, begebe ich mich zurück ins Cockpit und starte die Maschine. David richtet sich auf und ruft:
„Ich würde sagen: Der Anker schliert!“
„Sehr gut. Du hast Recht. Der Anker schliert.“ Ich gebe langsam rückwärts und gehe wieder nach vorne. David schaut mich an:
„Wieder ankerauf?“ Ich zucke mit den Schultern, beuge mich zur Kette hinunter und lege die Hand darauf:
„Ja. Grundsätzlich schon. Aber vielleicht zieht der Motor ihn noch in den Grund.“ So kommt es tatsächlich. Der Anker gräbt sich ein. Das Ruckeln hört auf. Für alle Fälle steigere ich gefühlvoll das Gas. Alles gut. Groß bergen und auftuchen. Ankerlicht. Trotz aller Müdigkeit packt David noch genauso mit an, wie in den ersten Minuten an Bord. Ich frage ihn:
„Hast du Hunger? Wollen wir noch etwas kochen?“
„Mir reicht ein Brot.“ Mir geht es genauso. Also kalte Küche. Während wir es uns schmecken lassen, sage ich:
„Du David…“
„Ja.“
„Ich wollte nur sagen: Du hast dich heute super geschlagen! Bist eine echte Bereicherung an Bord.“
Er lächelt etwas verlegen. Aber das ist kein Honig um den Mund. Ich meine es genauso, wie ich es sage.
Wenig später sinken wir in die Kojen. Das waren geschenkte Meilen heute. Die geben uns Spielraum für die nächsten Tage…
♦♦♦
Dieser Blog Eintrag spielt am 23.9.
Respekt, das Fahrwasser da st schon recht eng und trickey. Und dann Nachts ohne Plotter…
Ohne Plotter, aber mit Handy
Mit Leuchtturm wäre das denke ich mal gut machbar gewesen… Wenn etwas schief gegangen wäre, hätten wir (haben wir) auf’s Handy zurückgegriffen!
Liebe Grüße
Klaus
Hallo Klaus, Du meinst sicher Aarö und Aarösund, nicht Aerö… Hast mich beim lesen etwas verwirrt.
Gruß
Michael
Hi Michael,
Du hast natürlich Recht! Peinlich, peinlich, da es mir am nächsten Tag ja sogar schon einmal erklärt wurde. Mal sehen, ob ich das irgendwann noch kapiere, aber wahrscheinlich sollte ich zukünftig einfach einen großen Bogen um Dänemark herum machen…
Ich wünsche Dir ein Frohe Neues Jahr.
Liebe Grüße
Klaus
So. Hab’s jetzt korrigiert. Danke für den Hinweis.