Fahrtenseglers-Glück.de

Segeln als Digitale Nomaden

Willkommen in Hamburg

Feb• 05•18

Am nächsten Tag geht Néfertiti bei Stillwasser durch die Schleuse. Auf der Rückseite des Sturmtiefs herrscht noch immer Frischer bis Starker Wind. Aber handig. Auf der Elbe stoppe ich auf und gehe unter Segel. Mein Blick geht Richtung Nordsee. Ich könnte auch …

Segeln auf der Elbe

Im letzten Moment über die Barre gerutscht

Stattdessen wende ich schweren Herzens Néfertitis Bug landeinwärts. Kurz darauf fängt die Tide an uns zu schieben. Néfertiti fliegt nur so über die heimischen, schlammbraunen Gewässer. Ich genieße diese letzten Segelstunden wie ein Häftling auf Hafturlaub seine letzten Stunden in Freiheit.

Kurz vor dem Ende der mitlaufenden Tide erreichen wir das Dwarsloch. Nahe Hochwasser ist die Barre kein Problem. Ich berge die Segel und ankere im hinteren Teil. Die letzte Nacht an Bord. Ima und Maia, die Tochter Marus (Imas vielleicht bester Freundin), die gerade zu Besuch ist, werden am Strand bei Övelgönne stehen und winken. In die Wehmut mischt sich auch eine leise Freude die beiden zu sehen. Marlies will uns auf eigenem Kiel entgegenkommen und begrüßen. So sitze ich in meiner kleinen gemütlichen Welt, betrachte die Kerzen und erlebe jeden Moment an Bord noch etwas intensiver als sonst. Gut, dass mir die neue Chefin noch ein paar Tage eingeräumt hat…

Am nächsten Morgen fällt mir in letzter Sekunde ein, dass vor meinem idyllischen Ankerplatz eine Barre wartet. Halbe Tide ist schon durch. Ich sollte keine Minute Zeit verlieren! Also starte ich, so wie ich bin, die Maschine, eile auf das Vordeck und hieve den Anker. Lasse Kette und Anker auf dem Vordeck liegen (Gut dass wir so ein hohes Schanzkleid haben) und laufe aus. Wir rutschen so gerade noch über die Barre, überqueren die Elbe und ankern hinter der Reede, um auf die Flut zu warten. Marlies schickt mir eine SMS, dass sie Motorprobleme habe und im Hafen von Övelgönne liege. Ich biete ihr an, sie zu ihrem Liegeplatz zu schleppen. Als ich mich bei meiner Chefin schon einmal vorsorglich zum Dienst melde gibt sie sich wieder großzügig: Ich brauche erst am Dienstag anzufangen, damit ich morgen Zeit habe, das Boot auszuräumen. Wenn ich irgendwo arbeite gebe ich immer 100%. Aber für diese Chefin werde ich mir den Arsch aufreißen!

Schleuse Brunsbüttel

Schleusentor

Schließlich kentert die Tide und wir gehen ankerauf. Néfertiti kriegt von meiner gedrückten Stimmung nichts mit. Lustig murmelt ihre Bugwelle. Mein Handy summt. Ima wird mit Maia beim Alten Schweden warten. So langsam gewinnt die Aufregung anzukommen die Oberhand. Wir passieren Teufelsbrück. Ich tippe eine SMS an Ima: „Teufelsbrück“.

Néfertiti segelt dicht außerhalb des Fahrwassers. Also wähne ich mich im Wegerecht gegenüber eines Nostalgischen Ausflugsdampfers, der dicht auf uns zu hält. (Nach Jahrzehnten Segeln auf der Elbe werde ich erst diesen Winter erfahren, dass die Tonnen auf der Oberelbe nicht die Grenzen des Fahrwassers markieren, sondern die Ufer!) Für meinen Geschmack kommt der sehr nah. Noch zwanzig Meter. Wird so gerade klar gehen. Da dröhnt drüben das Horn los. Was soll denn das?! Die Tür zur Brückennock öffnet sich, eine Gestalt mit weißer Kapitänsmütze tritt heraus und hebt die Hand zum Gruße… Den kenne ich doch! Es ist Alex, ein lieber Freund. Ehemaliger Eigner der Classic Queen und Besitzer des Steges an dem Néfertiti ihre Winter verbringt…
Wow! Was für eine tolle Begrüßung. Sie schwemmt für den Moment alle Wehmut weg. Die Tide schiebt uns weiter. Schnell ziehen die Ufer vorbei und schon erreichen wir den Alten Schweden.
Da ist Ima! Die Freude ist überbordend und mein Herz fängt wild an zu klopfen. Und Maia ist so groß geworden. Fast eine junge Frau. (Aber den Kommentar werde ich mir später verkneifen.)

Ich schreibe Ima eine SMS, dass ich im Museumshafen festmachen werde. Die beiden rennen neben Néfertiti her. Vor der Strandperle drehe ich Néfertiti in den Wind und nehme die Segel herunter. Wenig später tuckern wir in den Museumshafen. Marlies und der Eigner der Dicken Berta nehmen meine Leinen in Empfang. Kaum ist Néfertiti fest, sind auch Ima und Maia da. Ich steige auf den Ponton. Ima fällt mir in den Arm und lässt mich lange nicht mehr los. Ich will auch Maia umarmen, aber spüre da einen Widerstand. Als Kind hasste ich es umarmt zu werden, also frage ich:
„Darf ich dich auch umarmen?“ Maia nickt und ich umarme das Mädchen, das ganz still und etwas steif verharrt. Ima sagt:
„Oh. Klaus darf dich umarmen und ich nicht?“ Tja.

Museumshafen Övelgönne mit Néfertiti

Beweisfoto: Néfertiti im Övelgönner Museumshafen

Vor Marlies Hafen haben die Hanseaten die Kattwykbrücke gesetzt. Die öffnet nur alle zwei Stunden. Ich könnte erst gegen 23 Uhr im City-Sport-Hafen festmachen… Ima ist entsetzt, dass ich das überhaupt erwäge. Sie hat mich vermisst und will mich nun keine Sekunde mehr hergeben. Marlies hat die Größe mich von meinem Wort zu entbinden. Sie darf noch eine Nacht bleiben. Entweder schleppe ich sie morgen oder wir segeln morgen gemeinsam ohne Motor oder … (Es wird „oder“. Marlies wird mit einem anderen Freund ohne Motor zurück segeln und Ima und ich morgen das Boot ausräumen. )

Ima an der Pinne Néfertitis

Ima übernimmt das Ruder

So kommt es, dass Ima und Maia das letzte Stückchen zum City-Sport-Hafen mitfahren. Ima übernimmt die Pinne, kaum dass wir abgelegt haben. Maia fröstelt.
„Willst Du meine warme Jacke haben?“ Sie guckt mich abwägend an.
„Ich gebe sie dir gerne.“
„Ja.“ So gebe ich meine warme Jacke ab. Würde den Moment gerne festhalten.
„Darf ich ein Foto machen?“
Maia nickt schüchtern und so darf ich heute noch ein zweites Tabu brechen…
Danke für dein Vertrauen, Maia!

Die Fischauktionshalle zieht vorbei. Das Trockendock … die Landungsbrücken … die Cap San Diego. Kurz darauf sind wir fest. So sehr ich mich freue Ima, Maru und Maia zu sehen: Die Fahrt ist zuende. Mir ist zum Heulen zumute.

♦♦♦

Dieser Blog Eintrag spielt am 2.10.

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10 Comments

  1. Jens sagt:

    ein schöner Bericht, also der ganze. Hab ihn gerne gelesen. Danke, das du uns mitgenommen hast.
    Die letzten Meter vom letzten Törn des Jahres, ja, mir geht es jedes mal so. Man weiß, nun kommt der Winter und das Schiff wird für 6 lange Monate in der Halle verschwinden… Aber so ist das eben und es ist noch sooo lange hin, bis wir wieder loskönnen. Aber das Frühjahr wird kommen
    Jens

    • Klaus sagt:

      Lieber Jens,

      vielleicht macht diese Zwangspause auch den alljährlichen Suchtfaktor aus. Dadurch, dass wir unseren schönen Sport ein halbes Jahr lang nicht ausüben können, wird man nie wirklich satt…
      Aber ich möchte es dieses oder nächstes Jahr wissen, wie das ist: Segeln mit open End! Wir sind wild entschlossen, wenn wir es irgendwie finanziert bekommen…

      Liebe Grüße
      Klaus

  2. Joachim sagt:

    Auch ich hab wieder begeistert und neugierig den ganzen Törn-Bericht verfolgt. Deine Schreibweise gefällt mir nach wie vor ungemein, Klaus; vielen Dank, dass ich „ein bisschen dabei“ sein durfte. Liebe Grüße, Joachim.

  3. Lucky sagt:

    Ein spannender Sommer für dich! Schön, dass wir ‘live‘ dabei sein durften. Kaum vorzustellen, dass es schon 1,5 Jahre her ist. kommt mir vor als hätten wir uns gestern erst auf Anholt getroffen. Grüße auch an deine Frau!

  4. Ich liebe es, Deine Beiträge zu lesen. :) Und die Neuauflage von Deinem Buch hole ich mir definitiv. 111 Gründe zum Segeln habe ich noch nicht gefunden, aber zumindest 20 :D

    Beste Grüße aus Stralsund,
    Christian

  5. Carsten sagt:

    Fertig? Ehrlich? Schade! Ich habe es wieder sehr genossen.

    Lieben Gruß

    Carsten

    • Klaus sagt:

      Hi Carsten,
      des Lesers Leid ist des Autoren Freude… Ich freue mich sehr über das darin versteckte Kompliment. :)

      Wir segeln weiter. Versprochen und es gibt mit Sicherheit auch wieder neue spannende Segelgeschichten hier im Blog.

      Liebe Grüße
      Klaus

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