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Segeln als Digitale Nomaden

Helgoland oder: Ein ereignislos ereignisreicher Tag

Jan• 08•20

Morgens werde ich in aller Herrgottsfrühe wach. Die Dämmerung scheint gerade vorbei zu sein. Ich höre leise Stimmen. Durch die Bullaugen auf Imas Seite sehe ich den langen Mast einer Yacht, die sich scheinbar bei uns ins Päckchen legen will. Schnell schäle ich mich aus dem Schlafsack und steige an Deck. Eine Pogo, die Foxy Lady, ist schon fast längsseits. Ich nehme ihre Leinen entgegen. Ihre Erlebnisse sind noch ganz frisch und drängen nach Ausdruck. Vater und Sohn wollten eigentlich nach England und sind die halbe Nacht gegenan gebolzt. Ich denke, das war auf diesem Renner noch ungemütlicher als es auf Néfertiti gewesen wäre. Vor Borkum haben sie sich entschieden nach Helgoland abzulaufen.

Nordstrand Helgolands

Blick auf die Nordsee

„Manchmal ist Umdrehen doch die bessere Entscheidung.“ Sagt der sympathische Mensch und ich kann ihm nur zustimmen. Es tut mir Leid, dass ich noch eine schlechte Nachricht für die beiden habe:
„Ihr wollt jetzt sicher schlafen, aber die wollen morgens raus.“ Ich zeige auf die Gecko, „Ich weiß aber nicht genau wann.“
„Kein Problem, klopft einfach auf das Deck!“ Nach dem kurzen Gespräch habe ich das Gefühl, dass wir es mit unseren neuen Nachbarn gut getroffen haben. Ich lege mich noch einmal hin. Kuschel mich in den schön warmen Schlafsack und bin schnell wieder eingeschlafen.

Als ich aufwache ist es schon eher vormittags. Sonnenlicht fällt durch den offenen Niedergang auf meine Koje. Der Wind pfeift immer noch sein Lied im Rigg. Ima sitzt im Cockpit und lächelt mich an:
„Die wollen erst um 12.30 Uhr los.“ Na, das ist ja entspannt. Ima hat noch andere Nachrichten. Sie hat schon den Wetterbericht gescheckt.
„Vielleicht gibt es morgen ein Wetterfenster! Vier Windstärken.“
„Das wäre toll.“ Und war gestern noch nicht angesagt.

Die Helgoländer Fähre wird ausgeschifft

Ausschiffung

Nach einem Tee gehe ich mit Nikolaus, dem Skipper der Gecko, vor zum Hafenmeisterbüro. Einmal um das halbe Hafenbecken herum. Auch mit Nikolaus fühle ich mich auf einer Wellenlänge. Die für heute angesagten sechs Windstärken werden sie von achtern haben.
„Wir sehen einfach zu, dass wir in der Elbe mitlaufenden Strom haben, dann sollte das schon gehen.“ Ein Mann öffnet uns die Tür zum Hafenmeisterkontor:
„Ihr wollt sicher zum Hafenmeister.“
Eine Feststellung, keine Frage.
„Ja.“
„Der ist nicht da. Die haben einen Feuerwehreinsatz.“ So spazieren wir unverrichteter Dinge wieder zurück.

Diese Wochen sollen Urlaub sein. Als Digitale (Mehr oder weniger) Nomaden muss man sich auch Urlaub nehmen, sonst hetzt man nur von einem Auftrag zum anderen… Vor allem für Ima, die gerade ein arbeitsreiches Projekt zu Ende gebracht hat. Als Consultant für die EU ist sie viel gereist und hat Frauenprojekte im Arabischen Raum evaluiert. Alle sind glücklich mit Imas Arbeit, sowohl die Frauen, die Ima interviewte, als auch die Spanische Organisation für die Ima ihren Report geschrieben hat. Im Anschluss gab es noch einen Auftrag für die UNESCO und ich bin ziemlich stolz auf meine Frau! Außerdem wollen wir ganz bewusst an unserer Beziehung arbeiten. Dafür haben wir sogar extra eine Woche vor unserem Hochzeitstag reserviert.

Rechtzeitig kurz vor zwölf Uhr dreißig ist die Gecko auslaufbereit. Ima ist noch unterwegs. Die Pogo trifft Anstalten als erste abzulegen. Da wir – sollte das Wetter morgen mitspielen – auslaufen wollen, die Foxy Lady aber bleiben möchte, beschließen wir, dass Néfertiti außen liegen soll.

Der Skipper der Foxy Lady ahnt schon, dass das Ablegen wegen des starken Seitenwindes und des breiten Hecks nicht leicht wird, denn, um in die Spring zu dampfen, haben sie kaum genug Platz, da das breite Heck fast gegen die Arbeitsschute stößt, bevor sich der Bug von Néfertiti weggeschoben hat. Dass das ganze Päckchen mitschwingt, ist auch nicht hilfreich. Schließlich drückt Nikolaus die Pogo mit Muskelkraft so weit weg, dass der Skipper Gas geben und vorwärts ablegen kann. Da Ima nirgends zu sehen ist, lege ich alleine ab. Allerdings ist das Manöver mit Néfertiti ungleich einfacher, da das Heck zum einen wesentlich schmaler ist und sich zum anderen verjüngt. Ich fahre auf die Luvseite des Hafenbeckens und lege Néfertiti mit dem Heck in den Wind. Kurz darauf ist die Gecko unterwegs und ich winke ein letztes Farwell. Die Pogo legt sich ins Päckchen und Néfertiti ganz außen.

Ausschiffung

Fährgäste werden an Land gebracht


Danach suche ich mir erst einmal ein Café, um Tagebuch zu schreiben und an dem Buch für Delius und Klasing zu arbeiten. Auch wenn ich noch immer keinen Vertragsentwurf bekommen habe. Grundsätzlich sind wir uns ja einig. Irgendwann setzt sich Ima dazu.
„Ich würde gerne ein Fernglas kaufen.“
Nachdem auf Néfertiti eingebrochen und mein geliebtes Steiner Comander gestohlen wurde, habe ich zwar ein neues Gebrauchtes Comander gekauft, aber die Qualität ist nicht so exzellent wie bei unserem Alten. Es stammt wohl aus einer früheren Fertigung und dürfte seine dreißig Jahre auf dem Buckel haben. Auch das Zeissglas, das immer am Niedergang hängt, hat einen Schlag abbekommen und einen Paralaxefehler.
„Ich hätte gern mein eigenes.“
„Klar. Warum nicht. Soll ich mitkommen?“
„Ja.“ Wir laufen in die Oberstadt. Ima kauft ein gutes Glas. Natürlich will sie es nun auch ausprobieren und wir laufen über die Klippen und beobachten die Tölpel in ihrem majestätischen Segelflug. Die Wogen brechen sich spektakulär auf der Mole. Ima grinst mich an:
„Gut, dass wir jetzt nicht da draußen sind.“
„Oh ja!“ Dabei muss ich an Jungs von der Gecko denken. Wo die jetzt wohl sind?

Blick von den Vogelfelsen Helgolands hinunter auf die bewegte Nordsee

Blick von den Vogelfelsen auf das Meer


Zurück an Bord trinken wir erst einmal einen Tee. Ich verbreitere die Halterung des Zeissglases und schon hat Imas neues Fernglas einen prominenten Platz an Bord. Das Alte Zeissglas lege ich später als Geschenk auf den Abfallbehälter. Vielleicht gibt es ja jemanden der das richten kann … Als ich zurück komme hat Ima angefangen zu kochen.
„Was gibt es denn?“
„Lass dich überraschen!“ Da ich hier nicht gebraucht werde, gehe ich vor zum Hafenmeister. Diesmal ist er da.
„Wie war der Einsatz?“ Er erzählt von dem Fettbrand im Hotel und einem anderen aus seiner Bundeswehrzeit, bei dem die Bundeswehr fast einen Zerstörer verloren hätte. Von dem Leben auf der Insel. Er ist erst vor ein paar Jahren nach Helgoland gezogen.
„Die freiwillige Feuerwehr war mein Türöffner. Nach kürzester Zeit waren wir hier vollkommen integriert.“ Ich denke mal, seine offene unbefangene Art hat auch dazu beigetragen … Das Gespräch ist angeregt, die Zeit vergeht im Fluge. Plötzlich fällt mir Ima ein. Ich glaube ich sollte mal aufbrechen …

Ima an der Steilküste Helgolands

Der Tag an Land tut uns gut

Auf dem Rückweg sehe ich Ima im Cockpit stehen mit ihrem neuen Fernglas. Sie richtet es in meine Richtung. Sieht so aus, als sei das Essen fertig!

So neigt sich ein ereignislos ereignisreicher Tag seinem Ende zu. Ein schöner Tag. Das Wetter sieht danach aus, als könnten wir morgen die Überfahrt ins Watt wagen. Erst Abends soll es anfangen stärker zu wehen. Soll! Natürlich wird es anders kommen, aber das wissen wir noch nicht… Aber die Geschichte erzähle ich im nächsten Artikel „Starkwind im Seegatt“.

♦♦♦

Dieser Blog Beitrag spielt am 8.8.

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4 Comments

  1. Lucky sagt:

    Was für ein Cliffhanger ;)

    Darfst du denn das neue Glas auch verwenden?

    • Klaus sagt:

      :D
      Ja … ähm … wenn die Crew es nicht braucht :-/

      Ich bevorzuge noch immer das Steiner. Meist habe ich es griffbereit im Cockpit, aber wenn nicht, hängt Imas Glas da so praktisch direkt am Niedergang…

  2. Klaus sagt:

    Und was gab’s zu essen? :-)

    • Klaus sagt:

      :D :D :D
      Es gab einen von Imas köstlichen Lauwarmen Salaten. Sie nennt die wirklich so. Eine Art Nudelsalat mit teils gekochten und teils frischem Gemüse, Avokado, Tomaten … Alles „orientalisch“ gewürzt. Ein Gedicht. Glücklicherweise eines das verzeiht, wenn es kalt genossen wird…

      Liebe Grüße
      Klaus

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