Als ich aufwache herrscht … Stille. Kein Fauchen im Rigg, kein Pfeifen. Der Wind hat sich beruhigt. Eigentlich hätte ich Lust noch etwas auf Helgoland zu bleiben. Habe ein Café entdeckt, in dem ich mich wohl fühle. Gerne würde ich mich dort hinsetzen und an dem Buch für Delius und Klasing arbeiten. Aber das bedeutete, dass wir hier auch die nächsten Tage bleiben müssten, denn das Wetter soll erst am Montag wieder besser werden. Und ich weiß, wie sehr es Ima ins Watt zieht.
Ich möchte noch Diesel bunkern, denn auf Helgoland ist der Sprit deutlich günstiger. aber die Bootstankstelle können wir nicht anlaufen, weil das Hafenbecken gesperrt ist. Das habe ich schon gestern ausbaldovert. Pünktlich um 8 Uhr stehe ich mit meinen zwei 5-Liter-Kanistern vor der Tankstelle. Ich muss zweimal laufen, dann sind wir seeklar. Die kleinen Kanister haben zwei Vorteile: Sie sind leichter zu tragen und beim Einfüllen leichter zu händeln.
Dafür muss man häufiger laufen …
Gegen zehn läuft Néfertiti aus. Es herrschen drei Windstärken aus Süd bis Südost. Kurs 173°. Die Versetzung eingerechnet bedeutet das: Unser Kurs führt genau gegenan. Da hilft kein Bedauern. Wir müssen kurz vor Hochwasser über die Barre gehen und haben einen Marschplan, der kein Kreuzen vorsieht. Also fahren wir unter Maschine. Der Himmel hat sich zugezogen. Ima gesellt sich zu mir ins Cockpit, eine Muck heißen Tees in der Hand.
„Willst du auch?“
„Nee, danke.“
„Es herrscht ja Wind. Willst du gar nicht segeln?“
„Doch, aber wir müssen pünktlich am Seegatt sein.“
„Ich habe nichts dagegen, wenn du segeln willst.“ Wer unseren Blog schon länger verfolgt, weiß wie außergewöhnlich solche Äußerungen aus Imas Mund sind. Besonders bei längeren Seetörns. Ich schenke ihr mein breitestes Lächeln.
„Vielleicht später.“ Ich habe unseren Kurs auf die Tonne E3 abgesetzt. Um die zu treffen, ist ein gerader Kurs hilfreich. Später wird der Westturm Wangerooges eine perfekte Landmarke abgeben, mit deren Hilfe wir das letzte Stück segeln können, egal wie verschlungen die Kreuzkurse auch sein mögen und wenn es so weiter läuft, werden wir dann auch von einem Zeitpolster zehren können.
Der Motor tuckert und tuckert. Und ich bin dafür so unglaublich dankbar! Denn um ein Haar hätten wir gar nicht fahren können. (Es muss auf der Rückfahrt vom Trockenfallen bei Finkenwerder passiert sein, ohne dass ich es bemerkte. Ein paar Tage später fand ich unter dem Motorblock Wasser. Wasser? Wo konnte das herkommen? Zur Kontrolle startete ich die Maschine und ein feiner Strahl Seewasser schoß im Rhythmus der Wasserpumpe aus einer defekten Membran im Motorblock. Ich stellte die Maschine wieder aus und ignorierte das Thema erst einmal, um meine Möglichkeiten zu recherchieren. Am nächsten Morgen saß ich in meinem Stammcafé. René, damals nur ein Bekannter, kam herein. Wir hatten uns ein paar Mal angeregt unterhalten und zur Begrüßung sagte er:
„Was ziehst du denn für ein Gesicht?“ Ich erzählte im von Néfertitis Motorproblemen. Er grinnste mich breit an und sagte:
„Ich habe bei MAN Maschinenschlosser gelernt. Soll ich mir das Schätzchen mal ansehen?“
„Echt jetzt?“
„Klar. Ich freue mich mal wieder auf ein Boot zu kommen.“ Was als Kleinigkeit angefangen hatte wuchs sich zu einem einwöchigen Fulltimejob aus. Wann immer ich das Thema anschnitt sagte René immer wieder das Gleiche.
„Ich freue mich auf einem Boot zu sein.“ Auch wenn er bei schweißtreibenden Sommertemperaturen in Néfertitis winziger Backskiste hockte, um mit der Flex das Auspuffrohr zu trennen. Geld wollte er keines. Zum einen mussten wir den Auspuff abnehmen, um an die Membran zu kommen. Leider war der Auspuff festgeschweißt, so dass wir einen Teil des Rohrs absägen mussten, um den Krümmer von seinen Steckbolzen ziehen zu können. Dabei riss die festgerostete Mutter einen der Stehbolzen ab, der geschweißt werden musste, was immer eine Schwachstelle bedeutet. René machte den ehemaligen Sabb-Vertreter in Deutschland ausfindig. (Der Motor sollte laut Bootspapieren Baujahr 76 sein und die Firma gibt es nicht mehr.) Der Internetbeitrag stammte aus dem Jahr 2007 und da wurde der Sabb-Vertreter schon als älterer Herr beschrieben. Entsprechend unsicher rief ich die Nummer an. Am anderen Ende meldete sich eine rüstige Stimme und sagte, nachdem ich mein Anliegen erklärt hatte:
„Ich bin jetzt 90. Langsam muss das mal aufhören!“ Und nach einer Pause:
„Aber was brauchen sie denn genau? Ich habe hier noch ein paar Sachen herumliegen.“ Die Membran selbst hatte er nicht mehr, aber den letzten Universalstopfen von Sabb, der genau passte. Als wir das Auspuffrohr absägten, trafen wir genau den Teil, der innen korrodiert war und damit den Durchfluss auf ein Viertel verengte. Laut des freundlichen Herrn der Grund für das Leck in der Membran. Bei der Gelegenheit stellte sich dann auch heraus, dass der Motor Baujahr 1970 war und nicht 1976, wie in den Bootspapieren angegeben. Bei der Probefahrt, auf der Höhe Finkenwerders, riss die zweite Membran. An so unglücklicher Stelle, dass man den Zylinderkopf hätte abnehmen müssen, um heran zu kommen. Ohne passende neue Zylinderkopfdichtung?
Letzten Endes klebten wir es mit JB Weld, einem temperaturbeständigen Kleber. Bis jetzt hat es gehalten. Bei solcher Arbeit lernt man sich kennen. Besonders, wenn Dinge schief gehen. Heute zähle ich René zu meinen Freunden und ich glaube, das beruht auf Gegenseitigkeit.
Die andere Großtat, ohne die wir jetzt nicht unterwegs wären, hat Jan geleistet, ein alter Freund von mir. Zusammen bauten wir ein neues Schiebeluk, denn das Alte wurde bei dem Einbruch vollkommen zertrümmert. Danke Ihr beiden!)
Gegen zwölf hätte die Tonne E3 längst in Sicht sein müssen. Immer wieder suche ich den Horizont vor uns ab. Nichts. Wo ist bloß diese Tonne? Nur grauer Himmel und Wasser. Inzwischen hat der Wind auf gut fünf Windstärken zugelegt. Aus SSE. SW war angesagt. Nach einer Weile fange ich an die Tonne auch an unerwarteten Stellen zu suchen. Backbord querab, steuerbord und sogar achteraus. Halt. Da war was. Ich greife zum Fernglas. Tatsächlich. Backbord querab liegt eine Tonne. Etwa eine Seemeile entfernt. Während Néfertiti mit festgelegtem Ruder weiter marschiert, klettere ich den Niedergang hinunter und arbeite in der Karte. Peile die Tonne und zeichne schnell ein neues Dreieck, um die tatsächliche Versetzung festzustellen. Als ich wieder nach oben zurück will, fragt Ima:
„Habibi, hast du Hunger?“
„Ein wenig.“ Schließlich sind wir schon seit Stunden unterwegs.
„Ich auch.“ Während ich Dieselkanister von der Tankstelle zum Boot schleppte, hat Ima einen Nudelsalat vorbereitet, der wenige Augenblicke später im Cockpit serviert wird.
„Bon Appetit!“
„Bon Appetit.“ Köstlich! Während wir schlemmen, kommt das Gespräch irgendwie auf das Auslaufen. Etwas unbedarft sage ich:
„Von mir aus hätten wir auch bis Montag auf Helgoland bleiben können. Weiß gar nicht, warum ich die Insel früher nicht mochte.“
„Echt?! Warum sagst du das nicht?!“
„Weil ich weiß, dass du so schnell wie möglich ins Watt willst.“
„Ich dachte, du willst unbedingt segeln. Von mir aus hätten wir auch noch bleiben können.“ Ein Meisterwerk liebevoller Kommunikation. Jetzt sind wir allerdings schon zu weit, um umzukehren. Denke ich jedenfalls. Ima auch. Dabei hat uns die Foxy Lady doch gerade erst vorgemacht, dass man lieber frühzeitig umkehrt, anstatt zu warten, bis man in Schwierigkeiten steckt.
Anderthalb Stunden später kentert die Tide. Der Wind hat auf SE gedreht und etwas abgeflaut. Beides kommt unserem Kurs zum Wind zugute. Ich stoppe die Maschine und setze erst das Groß und dann die Genua. Wow! Diese Stille. Schönstes Segeln. Wenn auch hoch am Wind. Néfertiti arbeitet im Seegang. Aber alles ist handig. Auch als der Wind wieder zunimmt und ich etwas später das erste Reff einbinde und eine halbe Stunde später das Zweite. Néfertiti galoppiert, rauscht durch eine steiler werdende See. In den Böen wird der Schaum von den Kämen weg geblasen. Längst fliegt auch wieder Gischt über Deck. Bei der Fahrt (schneller als unter Motor) ist abzusehen, dass wir zu früh am Seegatt ankommen werden. Es fängt an zu nieseln und über den Himmel jagen Wolken grau in grau. Nur das Barometer steht wie festgenagelt auf 1011hPa.
Ich gehe gedanklich unsere Optionen durch. Die Seegatten sind bei Starkwind aus dem nördlichen Quadranten unpassierbar, aber wir haben Wind aus dem Südquadranten. Trotzdem kann die Konstellation Wind gegen Strom lebensgefährlich sein. 1. Die Sicht ist mäßig. Aber wir können jederzeit umkehren. 2. Das Seegatt der Blauen Balje soll 60 cm mehr Wasser haben als die Alte Harle. Das bedeutet nach der Zwölftel-Regel gleicher Wasserstand gut anderthalb Stunden früher. 3. Wenn der SE durchsteht, wird in der Blauen Balje kaum Seegang herrschen, weil die vorgelagerte Insel Minsener Oog perfekten Landschutz geben wird. 4. Das feststehende Barometer lese ich auch als: Wird schon nicht so schlimm werden. (Ja, ich weiß: der Spruch ist bekannt aus der Rubrik „Berühmte letzte Worte“, aber …) Unterm Strich komme ich zu dem Schluss: Die Blaue Balje ist unsere beste Option!
Néfertiti segelt weiter südwärts. Wangerooge taucht im Regendunst auf. Auch der markante Westturm. Ich drehe kurz bei, nehme eine Peilung und zeichne sie unten in die Karte ein. Sie hilft bei der Identifizierung einiger Tonnen in Sichtweite. Der Strom zieht gewaltig.
„Ist es noch weit?“
„Ja, aber wenn wir erst einmal im Watt sind, kann uns nichts mehr passieren.“ Dann schalte ich wegen der schlechten Sicht die Dreifarbenlaterne ein und steige wieder nach oben. Immer wieder gehen größere Wellen unter Néfertiti durch. Aus NW. Das Phänomen habe ich schon länger beobachtet. Unter der Windsee gibt es eine gegenläufige Dünung. Die Frage ist nur: Ist das eine alte Dünung oder eine Neue?
Ich steuere das Fahrwasser zur Jade an, von dem die Blaue Balje abzweigt. Plötzlich jagt eine Sturmbö heran. Néfertiti neigt sich tiefer. Weiter Reffen? Wir haben schon zwei Reffs im Groß. Andererseits ist es kein Aufwand, also reffe ich nun auch die Genua. Viel langsamer werden wir nicht. Hoch am Wind kreuzt Néfertiti auf die Blaue Balje zu. Wir sind über zwei Stunden zu früh. Deshalb bin ich über den Zeitverlust durch Kreuzen nicht traurig. Aber bei der Strömung sind wir nicht wirklich langsam… Néfertiti läuft auf ihrem Holeschlag auf den Strand Wangerooges zu. Unter Land nimmt die Windsee deutlich ab. Wir sind schon auf dem Flachen, als ein prasselnder Regenschauer über uns hereinbricht. Die Tropfen trommeln auf das Deck und peitschen die Wasseroberfläche. Sieht magisch aus. In der Regenfahne verschwindet Wangerooge vollkommen aus meiner Sicht. Wie weggewischt.
„Verdammt, verdammt!“ Ohne Sicht kommen wir durch keines der Seegatten. Ich drehe bei. Die Tide zieht uns beängstigend schnell mit sich. Das weiß ich, auch wenn ich es in der grauen Regenfahne nicht sehen kann.
„Hast du was gesagt, Cherie?“
„Nein, nichts. Ich bewundere nur die Aussicht.“ Ima schaut durch das Plexiglasschott, das ich eingesetzt hatte, als es anfing zu nieseln.
„Igitt!“ Sie wendet sich ab.
„Bitte starte doch mein Handy!“ Noch zeigt das Echolot 7 Meter an, aber um uns herum ist nur nasse, graue Watte. Ohne Sicht schränken sich unsere Optionen gewaltig ein… Umkehren? … Ankern? … Beidrehen?
Ich denke die neue Situation durch. Für mein Empfinden ist das ein Schauer. Das Barometer spricht auch dafür. In einer Stunde sieht das hier wahrscheinlich schon wieder ganz anders aus. Hier zu ankern kann das zwar ungemütlich sein, da Strom und Wind gegeneinander arbeiten, aber nicht gefährlich. Schließlich befinden wir uns schon im Landschutz Wangerooges. Andererseits gibt es diese Dünung aus NW. Wenn die von einem kommenden Sturm herrührt, sind wir hier auf Legerwall! Ima reicht mir das Handy mit der geöffneten Navionics App. Noch haben wir Raum.
Ich schiebe das Handy in meine Ölzeugtasche, rolle die Genua ein und nehme das Groß herunter. Dann starte ich die Maschine. Wenn wir nur ins Watt kämen! Südlich reißt die Sicht etwas auf und ich kann den Strand erahnen. Vielleicht können wir uns vorsichtig mit Echolot und GPS zur letzten bekannten Position der ersten Fahrwassertonne der Blauen Balje vortasten? (Das Watt ist so veränderlich, dass man zwingend Sicht braucht. Selbst bei aktuellen Karten – Wir haben welche an Bord – kommt es oft vor, dass sich die Tiefen seit der Drucklegung bereits verändert haben.) Meiner Meinung nach ist Warten die beste Option! Nach einer Weile habe ich das Gefühl, dass der Regen schwächer wird. Oder ist das Wunschdenken?! Ich bin bereit bis zur vier Meter Linie zu laufen. Ganz langsam. Dann werde ich auf Gegenkurs gehen und ankern, bis entweder die Sicht aufreißt oder der Wind sich so ändert, dass wir hier weg müssen. Sollte die Sicht bis Hochwasser nicht aufreißen, segeln wir nach Helgoland zurück. Die Zwei von der Foxy Lady werden bestimmt gucken, wenn wir uns mitten in der Nacht wieder bei ihnen ins Päckchen legen …
Zehn Minuten später reißt die Sicht auf. Ich kann die erste rote Tonne vor uns ausmachen … und dahinter auch die zweite … Wow! Glück gehabt. Bevor die Sicht wieder zu geht, will ich hier durch sein. Also läuft Néfertiti mit voller Fahrt von Tonne zu Tonne. Trotz des Starkwindes herrscht keine Welle. Minsener Oog liefert perfekten Landschutz. Das freut den Navigator in mir, der das erwartet (erhofft) hatte. Kurz darauf überqueren wir die Barre. Ich nehme Gas heraus. Auch der Regen hört auf. Der Gaswechsel lockt Ima an:
„Ist es noch weit zur Barre?“
„Mit jeder Minute ein Bisschen weiter.“
„Hä?! Sind wir drüber?!“ Ima guckt mich ungläubig an.
„Ja. Wir sind im Watt!“ Ich stoppe die Maschine und rolle die gereffte Genua aus. Raumer Wind. Allerdings müssen wir, um den Hafen Wangerooges anlaufen zu können noch über ein Wattenhoch. Dafür sind wir zu früh. Ich verkleinere die Genua wieder, damit wir uns nur sehr langsam dem Wattenhoch nähern. So laufen wir ins Wattfahrwasser ein. Schon sind wir im höchst veränderlichen Bereich der Pricken.
Zuerst ist alles easy. Aber die Wassertiefe nimmt kontinuierlich ab und Néfertiti hat immerhin 1,50 m Tiefgang. … zweizwanzig … zweizehn … einsneunzig … Ich starte die Maschine. Will hier nicht fest kommen. Lieber mit Gewalt drüber rutschen. Einsachzig … einssechzig … Ich gebe Vollgas … Da geht auch schon der altbekannte Ruck durch das Boot … Die Maschine arbeitet und arbeitet … einsvierzig … Wir ziehen den Kiel durch den Schlick … Plötzlich schwimmen wir wieder … einssiebzig … einssiebzig … Sind wir über das Wattenhoch? Ich wage es kaum zu glauben … Da geht der nächste Ruck durch Néfertiti. Diesmal hilft kein Vollgas, kein Schaukeln, kein Krängen. Wir stecken fest. Mitten im Fahrwasser! Nach zehn Minuten gebe ich auf. Graue unfreundliche Wolken ziehen in schneller Folge über uns hinweg. Der Wind heult im Rigg.
„Sorry Ima. Das kann jetzt dauern.“ Ich rolle die Genua ein und stoppe die Maschine. Von achtern nähert sich eine große Yacht. Als sie auf Rufweite heran sind rufe ich ihnen zu:
„Wir sitzen auf Grund!“ Der Steuermann hat das aber auch schon so erfasst. Allerdings steuert er nicht zwischen uns und den Pricken durch, sondern hinter uns. Wenige Meter neben uns bleiben sie hängen.
„Tut mir Leid!“ Der Steuermann winkt ab. Noch haben wir auflaufendes Wasser. Drüben wird das gesamte Programm abgespult, aber sie kommen auch nicht frei. Eine dritte Yacht nähert sich, sieht das wir beide fest hängen und dreht erst einmal um. Eine halbe Stunde später geht sie problemlos zwischen uns und den Pricken durch. Da sind die neben uns schon wieder frei gekommen und weiter gefahren, während Néfertiti sich keinen Zentimeter bewegt.
Der Verkehr um uns nimmt zu. Trotz des unfreundlichen Wetters segelt eine Yacht nach der anderen an uns vorbei.
„Ihr habt ja noch eine halbe Stunde bis Hochwasser!“ ruft uns einer aufmunternd zu. Nach der Zwölftel Regel wären das noch etwa 13 cm …
„Lass es uns noch einmal versuchen!“ Während Ima Vollgas gibt und mit dem Ruder wedelt, versuche ich Néfertiti seitwärts zum Schaukeln zu bringen. Hänge mich außenbords in die Wanten und schaukele. Plötzlich bewegt sich unsere alte Lady. Ein Stückchen nur. Ima hat es auch gemerkt:
„Wir bewegen uns!“ ruft sie mir zu. Dann rutscht Néfertiti noch ein Stückchen weiter, hängt wieder einen Moment fest und nimmt plötzlich Fahrt auf. Wir schwimmen wieder! Ima steuert an den Pricken entlang, während ich wieder über die Reling zurück steige und zu ihr ins Cockpit komme. Einssiebzig … einssechzig … einssiebzig … Wir schaffen hundert Meter, zweihundert … Dann steht einsachzig auf dem Echolot … einsneunzig … Das kommt uns fast schon tief vor … zweizehn … Jetzt sollten wir das Wattenhoch passiert haben.
Wenig später verlassen wir den Bereich der Pricken und steuern an der ersten Tonne vorbei. Hier ist es überall tief genug für uns. Ima grinst mich lausbübisch an:
„Ich freue mich auf Wangerooge!“ Auch ich freue mich jetzt auf das Ankommen. Wir haben Glück und finden einen freien Platz bei den Schlengeln. Brauchen uns nicht ins Päckchen zu legen. Wohlig müde ziehe ich mein nasses Ölzeug aus. Vermutlich werden wir die Schlechtwettertage im Hafen Wangerooges abwettern. Ich brauche nur noch das Seeventil zu schließen und die Welle zu schmieren. Das will ich schnell hinter mich bringen. Ich nehme die Motorabdeckung ab. Was ist das?!
Wasser unter dem Motorblock! Die verklebte Stelle hat scheint’s meinem Versuch mit Gewalt auszubrechen nicht standgehalten … Aber darum kümmere ich mich morgen. Jetzt habe ich erst einmal Feierabend!
♦♦♦
Dieser Blog – Beitrag spielt am 9.8.
Ich mag Deine Berichte aus der Nordsee um so viel mehr als die aus der Ostsee. Nicht dass die Ostsee nicht auch schön wäre, aber nicht zu vergleichen mit der herben Schönheit und den Herausforderungen der Nordsee. Und wenn die Sonne scheint, das Wasser blau ist und die Strände weiß leuchten – herrlich….
Lieber Jörg,
das kann ich gut verstehen. Schließlich bin ich an der Nordsee aufgewachsen und die erste Liebe ist halt etwas Besonderes! Ich glaube sogar Ima geht das so, denn sie hat ihre ersten Segelerfahrungen ja auch auf der Nordsee gemacht. Auch wenn wir die Ostsee mittlerweile ebenfalls lieben gelernt haben. Insbesondere die Schären! Jedes Revier hat halt seine eigenen Schönheiten und Herausforderungen…
Liebe Grüße
Klaus