Am späten Vormittag herrscht Niedrigwasser. Blauer Himmel. Wir lassen das Dinghy zu Wasser und rudern hinüber an den Strand. Die Sonne scheint sommerlich heiß auf uns herab. Niemand denkt an Google Earth. Ich freue mich nur still über das Glück hier sein dürfen. Das erleben dürfen. Ich bin aus tiefstem Herzen glücklich als ich das Schlauchboot am Flutsaum verankere. Noch läuft das Wasser ab.
„Ich würde mir gerne den Katamaran ansehen.“
„Klar doch!“
Die beiden auf dem Katamaran sind jedoch mit Arbeiten an Bord beschäftigt, so dass es bei einem kurzen Moin und Moin bleibt, bevor Ima und ich Hand in Hand weiter schlendern. Außer den beiden Booten und uns gibt es niemanden hier. Keine Inselbewohner, keine Inselbesucher. Die Isern Hinnerk, das andere Boot, dürfte in etwa Néfertitis Abmessungen haben. Ebenfalls aus Stahl und ebenfalls ein Langkieler. Allerdings haben sie Wattstützen ausgebracht und stehen aufrecht im Sand. Zu gerne würde ich mich mit dem Skipper über seine Erfahrungen mit den Wattstützen austauschen. Aber während wir uns nähern ist drüben kein Lebenszeichen zu sehen. Als wir heran sind rufe ich:
„Hallo?! Isern Hinnerk!“ Keine Reaktion.
„Ahoi!“ Ich rufe noch zweimal, aber entweder schläft die Besatzung noch tief und sehr fest oder sie sind ins Inseldorf gelaufen, um einzukaufen. Aber auch dieser Misserfolg beeinträchtigt meine Hochstimmung nicht. Wir stapfen weiter am Strand entlang durch knöcheltiefes Wasser. Plötzlich wende ich mich Ima zu, die noch immer meine Hand hält:
„Danke.“ Sie guckt mich halblächelnd und halbfragend an, und ich ich füge hinzu:
„Danke, dass wir das alles gemeinsam erleben dürfen. Danke, dass Du mitkommst, obwohl dir das Segeln manchmal nicht ganz geheuer ist.“ Sie reckt sich mir entgegen und gibt mir einen Kuss. Dann sagt sie:
„Danke, dass du mich mitnimmst.“ Wir sind schon ein ganzes Stück weiter gegangen, da fügt sie noch hinzu:
„Die See ist meine größte Lehrmeisterin.“
Austern finden wir hier keine, aber wenigstens ein paar grüne Algen. Während wir zurück rudern zieht von uns vollkommen unbemerkt ein Satellit seine Bahn im Orbit und schießt unablässlich Fotos. Diese Bahn verläuft fast über unseren Ankerplatz hinweg. Während ich es einerseits erschreckend finde so unter Beobachtung zu stehen, ist es auch ein erhebendes Gefühl, dass dieser Moment auf eine Kamera gebannt wurde und nun für die ganze Welt auf Google Earth zu sehen ist. (Matthias hat mich in einem Kommentar darauf aufmerksam gemacht. Danke! Wer es sich ansehen möchte: Spiekeroog auf Google Earth eingeben und scrollen. Néfertiti liegt südöstlich der Hafeneinfahrt. Unser Schlauchboot ist mit gehörig Stromvorhalt südlich des Katamarans zu sehen.)
Zurück an Bord bereiten wir wieder ein leckeres Mittagsbrunch. Ima macht heute Urlaub an Bord. Ich habe auch keine Lust am Manuskript zu arbeiten. Aber nur Faulenzen wird mir irgendwann auch zu unproduktiv. So nutze ich das Kaiserwetter, öle erst das Niedergangsluk und schrubbe dann den Wasserpass vom Dinghy aus. Aber beides ist schnell getan. Ima kocht abends arabisch und so neigt sich ein wunderschöner, fauler Urlaubstag seinem Ende zu.
Morgen wollen wir außen herum nach Norderney segeln. Während Ima sich in ihre Koje legt, kümmere ich mich erst um den Abwasch und bereite dann die Navigation vor. Leichte Ostwinde sind angekündigt. Hochwasser ist auf Spiekeroog um 6.40 Uhr. Spätestens mit halber Tide sollten wir über die Barre. Das ablaufende Wasser wird uns nach Norderney schieben. Alles verspricht einen wunderschönen Tag auf See. Dass sich das Fahrwasser vollkommen verändert hat und ich deshalb ausgerechnet im Seegatt auf Abwege geraten werde, weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.
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Dieser Beitrag unseres Segelblogs spielt am 24.8.2019
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