Gischt spritzt. Néfertiti klatscht in die nächste Welle. Der Bug hebt sich, erklimmt den Pass und senkt sich ins nächste Wellental. Gischt durchnäßt mich, die Schraube dreht frei. Die nächste Welle hebt den Bug. Ich sitze angeleint im Cockpit.
Der Wetterbericht sprach von 4 Windstärken in Böen 6. Tatsächlich ist es eher umgekehrt. Wolken jagen sich am Himmel. Hell und dunkel. Die Schatten spielen auf den Wogen. Wo ist die Tonne hin verschwunden?! Ich kann sie nicht mehr ausmachen, dabei habe ich die Tonne doch eben ganz deutlich im Sonnenlicht leuchten gesehen. Wieder kommt Gischt über. Ich ducke mich. Im Schatten verschwinden die Tonnen. Wir müssen bei Hochwasser am Juister Wattfahrwasser stehen. Ich suche mit dem Glas. Da! Da ist sie. Nehme eine Kompasspeilung. Iman ist unten. Es genügt, wenn einer sich durchnässen läßt. Ab und zu reicht sie mir etwas raus. Ein Stück Schokolade, einen Becher Tee. Meine tapfere Wüstenprinzessin ist seefest.
Habe ich etwas aus der Fahrt nach Borkum (hier geht es zum Artikel) gelernt? Ja. Damit wir kurz vor Hochwasser auf dem Wattenhoch stehen, laufen wir unter Motor. Steiler kurzer Seegang. In der Osterems angekommen, ändert das Fahrwasser seine Richtung. Wir könnten segeln, aber nur kreuzend und dann kämen wir zu spät am Wattenhoch an. Trotzdem setze ich die kleine Rollfock dazu. Zur Unterstützung. Nur ein Handtuch, aber es zieht uns durch die Wellen, wenn die Schraube frei dreht, und endlich kommen wir auf Marschfahrt. Gut dass wir eine Reserve eingeplant hatten. Exzellente Sicht. Wenigstens das. Juist ist von weitem zu sehen.
Néfertitis Bug steigt wieder nach oben, hoch, höher und stürzt sich dann ins nächste Wellental. Gischt spritzt. Wieder ducke ich mich weg, aber zu spät. Alles schmeckt nach Salz.
Schließlich erreichen wir den Landschutz von Memmert. Plötzlich ist der Seegang weg. Von einer Minute zur anderen. Wir können den Kurs ändern. Achterlicher Wind. Ich stelle den Diesel ab und reffe etwas aus. Iman kommt wieder ins Cockpit und wir segeln mit hoher Fahrt an Juist vorbei. Erst nahe des Wattenhochs reffen wir, um etwas Fahrt für den Fall einer Grundberührung herauszunehmen. Trotzdem bleibt es eine berauschende Fahrt an den Pricken des Juister Wattfahrwassers entlang. Selbst an der flachsten Stelle bleibt uns ein Meter Wasser unter dem Kiel. So macht Wattensegeln Spaß.
Im Seegatt zwischen Juist und Norderney steht eine hochgehende See. Mal sieht die Welt aus wie vom Drei-Meter-Brett, dann stürzen wir abwärts, so schnell, dass sich ein komisches Ziehen im Bauch bildet. Dann geht es wieder nach oben. Wir haben keine Wahl. Wir müssen dem Tonnenstrich folgen. Die Wellen kommen von der Seite. Die Fähre, die von hinten überholt, rollt gewaltig. Aber die anfängliche Beklemmung ist längst einem euphorischen Gefühl gewichen. Was für ein wundervolles Boot. Das Vertrauen wächst von Tag zu Tag.
Als wir die Balje erreichen, können wir die Wellen von achtern nehmen, was wesentlich angenehmer ist. Am Strand stemmen sich die Spaziergänger gegen den Wind. Heute beneidet uns wahrscheinlich keiner… Wenn die wüßten, was für ein grandioses Segeln das war, trotz des widrigen Wetters.
Dann kommt die Hafeneinfahrt in Sicht. Langsam laufen wir durch den langen Schlauch zum Yachthafen. Diese plötzliche Ruhe. Wir sind voller Glück. Voller Stolz. Iman steuert und ich bereite Leinen und Fender vor. Dann übernehme ich wieder. Der Hafen ist voll! Trotzdem fahren wir näher. Auf der Rückseite des Schlengels glaube ich eine freie Box zu sehen. Mit kleinster Fahrt laufen wir dorthin. Tatsächlich eine freie Box.
„Rot oder grün?“
„Grün.“
Wir fackeln nicht lange und legen gegen den Wind an. Melden uns noch in den nassen Klamotten beim Hafenmeister. (Wer sich über soviel Pflichtbewußtsein wundert: Eigentlich war das erste Ziel das Klo, aber da kommt man ohne Karte nicht hinein. )
„Wie breit ist ihr Schiff?“
„2,50m.“
„Dann sind sie zu klein für die Box. Ich muss die für Größere freihalten.“
Also noch einmal verholen … in den nassen Klamotten.
Später rinnt Wasser wohlig heiß an meinem Körper herab. Was für eine Wohltat. Was für ein Luxus. Heiße Duschen, die nicht alle zwei Minuten einen neuen Münzeinwurf
verlangen …
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