Am nächsten Morgen holen wir die Medizin ab, setzen uns, wie alle Touristen, ins Café Central, beobachten die flanierenden Kurgäste und arbeiten an unserem nächsten Filmprojekt Jeanne d’Arc Masraya. Ich telefoniere mit Olli, meinem Chef. Er fände es gut, wenn ich langsam mal wieder nach Hamburg käme …
4-5 W bis NW. Gute Sicht. Nicht der schlechteste Wetterbericht. Wenn nur das Seegatt nicht wäre. Denn wir müssen außen herum. In solchen Fällen sollte man Einheimische fragen … In unserem Fall den Hafenmeister: „Raus kommt ihr mit Sicherheit. Die Frage ist nur, ob ihr in Langeoog wieder reinkommt.“ Na gut. Soweit hatten wir auch schon gedacht. Der Lehrer der Segelschule sieht das mittags entspannter: „Kein Problem. Erst mit halber Tide rein. Auf der Seite mit den roten Tonnen segeln. Da ist es ein bisschen tiefer. Es sind ja nur 4 Windstärken.“
Zehn Minuten später legen wir ab, um uns von dem letzten Ebbstrom durch das Seegatt ziehen zu lassen. Tuckern durch den langen Schlauch zurück und setzen vor der Hafeneinfahrt die Segel. Wir segeln am Weststrand entlang. Néfertiti ist schnell. Sie liebt halben Wind. Strahlender Sonnenschein. Heute wird uns der eine oder andere vielleicht doch beneiden. Die Verhältnisse sind besser als vorgestern. Trotzdem steht hier im Seegatt Seegang. So arbeitet sich Néfertiti auf die Ansteuerungstonne zu. „Mannomann, sind diese Tonnen hier draußen groß.“
Man kann sie trotz des Seegangs meilenweit sehen. So wird unsere Navigation nach Großväter Art heute kein Problem werden. Das einzige, was das Segeln heute trüben könnte: Néfertiti torkelt in der konfusen See wie ein betrunkener Seemann. Der Wind kommt von achtern, aber die Wellen von der Seite. Die Segel stützen nicht, schlagen sogar manchmal trotz der gut vier Windstärken, wenn Néfertiti besonders weit rollt. Iman fühlt sich nicht wohl. Ein Anflug von Seekrankheit. Aber steuern möchte sie auch nicht. Mir geht es dagegen gut. Aber früher hätte ich mich bei solchen Bedingungen mit Sicherheit übergeben…
Wenigstens segeln wir schnell. Zu schnell. Eine Stunde zu früh stehen wir bei der Ansteuerungstonne Accumer Ey. Die Brandung donnert auf die Sände. Ich gehe über Stag ohne die Fock überzuholen. Schon liegen wir beigedreht. Das sind die kleinen Fährnisse beim Fahrternsegeln.
„Wie geht es dir?“
„Nicht so gut.“
„Möchtest Du einen Tee?“ Iman schüttelt den Kopf. „Oder sonst irgendetwas?“
Iman möchte am liebsten sofort in den nächsten Hafen.
„Wir können frühestens mit halber Tide über die Barre gehen.“
Sie fügt sich den seemännischen Gegebenheiten und klettert den Niedergang hinunter, um sich hinzulegen. Klappt das Kojenbrett hoch. So hat sie bei den (beigedreht nicht mehr ganz so wilden) Bewegungen Halt. Sie mummelt sich in den Schlafsack und meditiert mit geschlossenen Augen, während ich im Cockpit Wache gehe. Der Flutstrom versetzt uns langsam Richtung Barre, so dass ich nach einer halben Stunden einen Schlag hoch am Wind mache, um in der Nähe der Ansteuerungstonne abermals beizudrehen. Ich will hier lieber zu lange als zu kurz warten.
Ein Fischer zieht unweit seine Kreise. Er wartet ebenfalls. Als er Kurs auf die Barre nimmt, ist es 17.30: Halbe Tide. Wir lassen ihm den Vortritt. Je später wir einlaufen desto höher steht das Wasser… Man weiß ja nie. Iman hat sich inzwischen berappelt. Es geht ihr wieder einigermaßen gut. Auf der Barre selbst ist es dann halb so wild, gemessen an dem Seegang neulich vor Norderney.
Hinter der Barre segeln wir im Paradies. Keine Welle, blauer Himmel, mäßiger Wind. Das ist Wattensegeln vom Feinsten. Nach den Fährnissen sind das die Freuden des Fahrtensegelns. Am Liebsten würde ich noch weiter segeln. Aber Langeoog sieht einladend aus mit seinem Grün. Und Iman findet die Idee bestimmt nicht so toll…
Wem diese Vorsicht im Seegatt übertrieben vorkommt: Etwa zwei Wochen nach uns hat ein holländisches Paar ebenfalls versucht die Accumer Ee von See kommend zu passieren. Im Seegang setzte ihr Boot so hart auf, dass es Leck schlug, voll lief und kenterte. Es gelang den beiden noch einen Funkspruch abzusetzen. Sie wurden von Fischern gerettet, während das Wrack ihrer Yacht ins Watt vertrieb.
(Hier geht es zum Yacht-Artikel)
Als wir in Langeoog fest sind, lädt Iman mich zu einem Bier ein. Auf der Bank vor dem Restaurant treffen wir Volker, der alle zum Lachen bringt, und Michael, den Seebären, samt derer Frauen, deren Namen ich, sorry, nicht aufgeschnappt habe. (Bin erst etwas später dazu gestoßen und wir haben uns nicht mehr vorgestellt… aber einen lustigen Abend zusammen verlebt.) Michael liefert uns ein gewichtiges Argument, um morgen zu dem großen Schlag nach Cuxhaven anzusetzen und nicht erst die restlichen Inseln abzuklappern: „Ihr braucht in der Elbmündung unbedingt auflaufendes Wasser.“
Ich weiß aus eigener Erfahrung, was in der Elbmündung für Bedingungen herrschen, wenn Starkwind gegen Strom steht: „Schon klar, aber?“
„Jeden Tag, den ihr wartet, läuft die Tide eine Stunde später.“
Sprich: Für uns ungünstiger, wenn wir im Hellen ankommen möchten.
Später nehme ich mir noch einmal die Seekarten vor und stecke die Entfernungen ab: Natürlich wird die Gesamtstrecke des „Langen Schlages“ auch kürzer, wenn wir noch ein, zwei Inseln besuchen. Das gleicht die jeden Tag verlorene Stunde wieder aus… Der Wetterbericht ist für morgen ganz moderat. Danach wird er aber vorsichtig ausgedrückt nicht besser.
„Was denkst Du? Bist Du bereit für den langen Schlag?“
„Man sollte eine Chance nutzen, solange sie sich bietet…“
Das sagt Iman, obwohl sie heute wirklich keinen besonders tollen Tag hatte! Zumindest nicht draußen. Ich bin voller Hochachtung für meine kleine Seeblume.
Damit ist es entschieden. Bei Hochwasser hinter Langeoog übers Watt, mit der Ebbe raus, dann gegenan, um bei auflaufendem Wasser in der Elbmündung zu stehen. Ob Neptun uns diesmal auch wieder nachsitzen lässt? Oder befindet er uns endlich tauglich, um auf der Nordsee zu segeln…?
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Hallo Klaus,
danke nochmal für den Tipp im Yacht-Forum. Ich hab jetzt mal alles gelesen von euch und finde es toll. Bin gespannt wie es weiter geht, und wann ich mich endlich aufraffe sowas auch zu machen… Bis dahin träum ich weiter.
Viele Grüße,
Machtin
Lieber Machtin,
gern geschehen. Ich bin ja auch ein Träumer. Irgendwann kommt der Tag, da verwirklicht man seinen Traum, da hat man keine Wahl mehr …
Im Forum hatte ich allerdings den Eindruck, Du bist schon einen Schritt weiter. Es ist gut mit kleinen Törns anzufangen. Du machst das ganz richtig. Ich wünsche Dir vor allem viel Glück mit dem Wetter
Liebe Grüße
Klaus
great put up, very informative. I’m wondering why the other experts of this sector don’t notice this. You must continue your writing. I am sure, you’ve a great readers‘ base already!
Thx. … And even more: Nice and friendly readers