Platsch, platsch, plitsch, plitsch machen unsere Füße auf dem nassen Sand. Das Wasser steht zentimeterhoch in den Sandrillen, obwohl die Sände schon vor einer ganzen Weile herausgekommen sind. Wird nicht leicht sein hier ein trockenes Plätzchen zu finden, an dem wir unseren Tee trinken können, den ich in der Thermoskanne im Rucksack mitschleppe. Die Sonne ist herausgekommen und stellenweise verdunstet das Wasser. Ich spüre den nassen Sand unter den Fußsohlen. Fühlt sich gut an. Drehe mich um. In der Ferne kann ich Néfertiti sehen. Ich nehme für alle Fälle eine Kompasspeilung, …
aber der Wasserdampf wird von einer leichten Brise davongetragen und verweht. Ich glaube nicht, dass sich das zu Nebel verdichtet, jedenfalls nicht so bald. Aber sicher ist sicher. Und der Horizont ist diesig.
Platsch, platsch, plitsch. Vor uns läuft ein Schnitt durch die Landschaft. Wir stapfen darauf zu. Ein Priel. Am Ufer liegen Muschelschalen. Wenn wir den Priel überqueren wollen, müssen wir durch das Muschelfeld. Meine Großstätterfüße sind das nicht gewohnt. Entsprechend eiere ich durch die Schalen. Iman zieht ihre Clocks an. (Ich habe ihre im Rucksack getragen und meine ähm … beim Boot gelassen) Dann kommen wir zu dem Priel. Er ist tief und ich wate flussaufwärts, wo der Übergang flacher scheint. Da kitzelt mich etwas an den Füßen. Und wieder und wieder. Auch wenn ich stehen bleibe. Als ich genau hinschaue sehe ich Dutzende von Garnelen. Mit jedem Schritt scheuche ich welche auf. Pech, dass ich das Netz nicht dabei habe…
Wir überqueren den Priel und stapfen weiter auf das Festland zu. Ich kann in der Ferne eine Tonne sehen. Das muss das Harlesieler Wattfahrwasser sein. Aber es ist noch weit bis dahin und vorher gilt es noch einen zweiten Priel zu durchqueren. Als wir uns diesem Priel nähren, bin ich plötzlich ganz aufgeregt. Die Strömung ist wie eben nicht zu stark und die Ufer sind gesäumt von vielen, vielen Muschelschalen. Kann das sein? Kann das wirklich sein?
„Was ist?“ fragt Iman.
„Ich glaube ich habe das Rätsel gelöst.“
„Welches Rätsel?“
„Das Rätsel der Sandbank.“
Iman kennt das Buch nicht und sieht mich nur verständnislos an.
„Das Rätsel der Garnelen. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo man sie suchen muss!“
Und ich kann meine Theorie sogar prüfen. Jetzt gleich. Mit schnellen Schritten eile ich dem Priel entgegen. Au… Au… eile ich durch das Muschelfeld und wate ins Wasser. Schon bei den ersten Schritten spüre ich das Kitzeln von sehr vielen Garnelen. Ein breites Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit. Iman deutet das Grinsen richtig und ist großzügig genug eine Planänderung zu akzeptieren:
„Du willst das Netz holen?“
„Würde ich gerne, wenn du einverstanden bist.“
Damit unsere Wanderung nicht sooo kurz wird (Wir sind immerhin schon eine gute Stunde unterwegs), schlage ich einen Dreieckskurs vor. In weitem Bogen über den Priel der Alten Harle, den ich mir gerne bei Niedrigwasser ansehen möchte, zu Echna zurück.
Auf den ersten Blick sieht das Watt überall gleich aus. Aber so ist es nicht.Während wir auf das Wattfahrwasser Alte Harle zu marschieren, wird der Untergrund schlickiger, und schmeichelt weich den Füßen. Ein Sandspagettihaufen neben dem anderen. In einigen Stunden wird hier wieder alles unter Wasser sein. Wir wandern auf dem Meeresboden und durchqueren eine kilometerlange Wattwurmkolonie.
An der Alten Harle angekommen, präge ich mir den Verlauf des Fahrwassers ein. Der Priel ist hier relativ breit. Vielleicht nützt uns das Wissen ja mal. Schließlich nähern wir uns Echna. Das Schlauchboot liegt hoch und trocken auf dem Sand. Schenkt ein Gefühl von Geborgenheit in dieser Sandwüste, die in einigen Stunden wieder überflutet sein wird. Ich nehme die Paddel und das Netz und mache mich im Pfadfinderschritt (abwechselnd laufen und gehen, immer wieder nach z.B. fünfzig Schritten wechseln) auf den Weg zum ersten Priel. Als ich ankomme habe ich noch massig Zeit. In der Ferne zieht ein Krabbenkutter seine Kreise. Schon bei dem ersten Fischzug gehen mir Dutzende Garnelen ins Netz. Ich nehme nur die Großen und werfe die kleinen zurück…
Die Sonne scheint auch noch, als wir wieder an Bord Néfertitis sind und die gekochten Krabben puhlen. Nach dem Krabbenbrunch faulenzen wir. So sollte Urlaub sein. Abends zieht sich die Sicht zu. Der Wind frischt auf. Die Wolken ziehen so tief, dass sie uns in dichten Nebel einhüllen. Jetzt können wir hier nicht mehr weg, selbst wenn wir wollten. Bei Wind gegen Strom liegt Néfertiti etwas unruhig, schwoijt hin und her. Aber wenn man im Watt ankert, kann man dieses Phänomen alle sechs Stunden beobachten. Sobald Wind und Strom wieder in die gleiche Richtung stehen, wird das wilde Schwoijen sofort aufhören.
Nachts wache ich auf. Der Wind hat abgeflaut. Ich verspüre ein dringendes Bedürfnis, klappe das Kojenbrett weg und stehe auf. Schiebe das Niedergangsluk auf. Drüben schickt der Leuchtturm von Wangeroogre seinen Lichtstrahl auf das Meer hinaus. Der Nebel ist verschwunden. Irgendwo blinkt eine Leuchtonne. Auch unser Ankerlicht brennt friedlich. Ich fühle mich geborgen und stelle mich an die Reeling. Tausende von phosporisierenden Lichtern glühen unter mir auf. Wie lange habe ich das nicht mehr gesehen?! Einen Moment überlege ich, ob ich Iman wecken soll, dann klettere ich hinunter:
“Iman.“ Sie brummt irgendetwas, was ich nicht verstehe, „Wir haben Meeresleuchten. Willst Du es sehen?“
Schlaftrunken sagt sie: „Meeresleuchten?“
„Ja.“ Eine Sekunde später hat sie sich einen Pullover übergezogen und klettert in die Plicht. Leider ist so wenig Bewegung im Wasser, dass ich etwas nachhelfen muss: Ich schlage mit dem Bootshaken auf das Wasser, das plötzlich zu leben scheint. Hunderte von Lichtern leuchten neben Néfertiti auf. Komme schließlich auf die Idee mit der Pütz Wasser zu schöpfen und auf’s Wasser platschen zu lassen. Was für ein Blitzen und Funkeln. Atemberaubend.
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