In der Nacht brist es auf. Der Wind heult im Rigg. Noch sind wir durch die Sandbänke geschützt, aber das Wasser steigt und es steht Wind gegen Strom. Nahe Hochwasser tanzt Néfertiti wild an ihrer Kette. Als es dämmert jagen graue Wolken über einen grauen Himmel. Überall weiße Schaumkronen, dabei kommt der Wind aus N-NW, also über Land und das Wasser läuft inzwischen ab…

Fotos die nicht geschossen wurden: 1. Néfertiti erreicht das Seegatt (Bei ähnlichen Verhältnissen an gleicher Stelle fotografiert, nur ein paar Wochen später auf der Rückfahrt. Aber mit viel mehr Sonne)
„Wollen wir in einen Hafen?“ Imans Stimme klingt etwas kleinlaut. So kenne ich sie gar nicht mehr.
Hochwasser haben wir verpasst. Damit fällt Spiekeroog als Schutzhafen aus.
„Wir könnten nach Wangerooge.“
„Ja. Bitte.“
„Im Seegatt wird ganz schön Welle stehen, auch wenn wir nur durch den inneren Teil müssen.“
„Egal.“
Iman möchte unbedingt in einen sicheren Hafen. Also verlassen wir unseren sicheren Ankerplatz. Nur unter der klein gerollten Genua segeln wir auf den Westturm zu. Wir tragen Schwimmwesten und sind angeleint. Brecher donnern auf die Sände in Luv. Man hört das Grollen der Brandung bis hier. Gut, dass wir nicht über die Barre segeln. Dort müssen jetzt furchtbare Zustände herrschen. Wahrscheinlich ist sie unpassierbar. Tonne für Tonne segeln wir durch das Wattfahrwasser. Bald erreichen wir das Hauptfahrwasser der Harle. Und damit das Seegatt. Hier verlieren wir den Landschutz der Sandbank. Die Wellen rauschen von achtern heran, heben Néfertitis Heck, drehen das Boot aus dem Kurs und als sie durch sind wieder zurück. Handiger als erwartet. Tolles Segeln. Schnelles Segeln. Iman sitzt vor mir auf ihrem Lieblingsplatz im Niedergang und guckt starr geradeaus.

Fotos die nicht geschossen wurden: 2.Noch im Landschutz, aber schwere Brandung steht auf der Seeseite der Sandbank (Auf der Rückfahrt ein paar Wochen später fotografiert. Bei ähnlichen Verhältnissen)
„Magst Du ein paar Fotos für den Blog machen?“
Iman zuckt zusammen: „Bitte nicht!“
Als sie sich mir zuwendet, sehe ich, dass sie Tränern in den Augen hat: „Bitte nicht!“
Ihr Vater hat sie als Kleinkind in Alexandria in die Wellen gezwungen und fand das einen tollen Spass und seitdem machen ihr Wellen Angst. Sie war auf dieser ganzen Fahrt so cool, dass ich das nicht mehr auf der Karte hatte… Da läuft die nächste Welle unter uns durch. Ich mache sofort einen Rückzieher.
„Lass gut sein. Aber keine Sorge. Néfertiti ist für ganz anderes Wetter gemacht.“ Iman nickt tapfer.
„Wenn wir nur schon da wären. Können wir den Motor starten?“ Néfertiti segelt schon mit über fünf Knoten. Der Motor wird uns kaum schneller machen. Aber er wird Iman wenigstens das Gefühl geben. Ich starte den Diesel.

Fotos die nicht geschossen wurden: 3. Néfertiti nahe des Seegatts (Auf der Rückfahrt ein paar Wochen später fotografiert )
Der Kurs wird tiefer, Néfertiti fängt an zu rollen. Aber die Wellen werden auch länger.
„Das Schlimmste haben wir hinter uns.“
„Das fühlt sich aber nicht so an.“ Schließlich halsen wir. Wenig später stehen wir auch schon in der Hafeneinfahrt, rollen die Genua weg und tuckern in den Hafen.
Wir legen uns auf eine gepflegte Yacht, die aber auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, die Shanty. Der Skipper nimmt unsere Leinen an und wir halten einen kleinen Klönschnack unter Seglern. Später sagt Iman:
„Warum sagt man eigentlich den Frauen Klatschlust nach? Ihr Männer schnackt doch viel mehr!“ Naja. Viel mehr würde ich jetzt nicht gerade sagen, aber …
Den restlichen Tag verbringen wir schmökernd in den Kojen, während der Wind seine Melodien in den Wanten der Segelboote pfeift und die Fallen den Takt dazu schlagen.
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Hallo ihr zwei,
ich kann die Angst von Iman sehr gut nachvollziehen. Auf unseren ersten gemeinsamen Segeltörn habe ich eine ähnliche Situation erlebt. Die Anthony kränkte plötzlich stark und ich habe mich sehr erschrocken. Sah uns schon im Wasser liegen. ;). Das passierte natürlich nicht. Aber der Schreck saß tief in meinen Knochen. Das Vertrauen zu Anthony baute ich nach und nach auf, so dass die Krängung später kein Problem mehr war. Vertrauen… das ist das Zauberwort. Wenige Wochen später sind wir bei 1,5 m-2m Welle auf der Ostee gewesen. Anthony kam nach dem Kurswechsel ins Rollen und wieder bekam ich einen Anflug von Angst. Aber ich vertraue meinem Skipper und unserer Anthony.
Liebe Susanne,
Du hast recht. Man muss sich erst einmal daran gewöhnen. Das Stichwort ist sicher Vertrauen. Die Fotos dieses Artikels sind ja eigentlich ein paar Wochen später aufgenommen. Gleiche Bedingungen. An dem Tag, an dem ich die Fotos gemacht habe, war Iman ziemlich gelassen…
Liebe Grüße
Klaus