Als ich donnerstags aufwache, herrschen, wie angekündigt, perfekte Bedingungen, um nach Cuxhaven zu segeln. Aber schon meine erste Bewegung auf der Koje sagt mir, dass wir nicht segeln werden. Ich bin nicht fit. Das nächste und erst einmal letzte Wetterfenster wird sich am Samstag öffnen…
Ich setze mich mittags in die Sonne auf die Terasse des Clubhauses und lasse meinen lädierten Rücken durchwärmen. Iman trainiert am Strand. Schönstes Segelwetter. Ich schreibe für den Blog. Mir geht es besser, aber seeklar bin ich noch nicht. Iman hat sich die Tage, die ich auf der Koje verbracht habe, mit Uwe angefreundet, dem Skipper der Rachel, die schon bei unserer ersten Ankunft in Wangerooge am Kai lag. Kapitän auf Großer Fahrt im Ruhestand:
„Wenn die See richtig rauh wird, hilft Dir nur noch Größe!“ So ist die Rachel auch gebaut: Ein richtiges Schiff. Um nicht zu sagen ein schwimmendes Haus und zwar ein mehrstöckiges! Geschätzte 20m lang und 2,50m Tiefgang.
Später holt mich Iman ab und wir spazieren über den Kai zurück Richtung Néfertiti. Vorbei an der Rachel. Uwe ist im Ruderhaus zugange und Iman begrüßt ihn wie einen alten Freund. Er lädt uns an Bord ein zur Schloßbesichtigung. Die Rachel fühlt sich innen mehr wie eine Wohnung an, als wie ein Boot. Iman ist hingerissen von Platz und Komfort und auch ich bin … beeindruckt. Und das alles selbst gebaut!
Am Freitag sagt der Wetterbericht noch immer gutes (naja) Wetter für Samstag voraus: S-SW 3-4 Bft, später zunehmend 5-6. Aber da sollten wir längst bei mitlaufendem Wasser in der Elbmündung stehen. Sonntags beginnt die nächste Schlechtwetterphase: 6-7, Schauerböen. Also: Wenn wir nicht noch einmal eine Woche hier festliegen wollen, müssen wir am Samstag los.
Iman ist zu allem entschlossen:
„Wenn du fit bist, segeln wir. Wenn es rauh wird, wird es halt rauh!“
Nur eines sollten wir tunlichst vermeiden: Bei ablaufendem Wasser mit Starkwind im Rücken in der Elbmündung ankommen. Wir brauchen auflaufendes Wasser. So sitze ich am Kartentisch und bereite unsere Navigation vor. Stecke Distanzen ab und stelle einen Zeitplan auf. Hochwasser Wangerooge 8.10 Uhr, mit dem Ebbstrom durch das Seegatt und dann gegen den leichten Ebbstrom (der auf See deutlich schwächer setzt als in den Seegatten) zur Elbmündung. Bis wir da ankommen, sollte die Tide gekentert sein und der (in der Elbmündung) mächtige Strom uns nach Cuxhaven schieben. Die Verschiebung mitgerechnet (Das Wasser läuft in Cuxhaven noch etwa anderthalb Stunden nach (!) Hochwasser auf), haben wir Zeit bis 22.20 Uhr, um in Cuxhaven anzukommen. Ich freue mich auf das Segeln morgen. Eigentlich bräuchten wir erst mit halber Tide durch das Seegatt, aber wenn wir kurz nach Hochwasser ablegen, haben wir genügend Reserve, um auch Segeln zu können, wenn der Wind schwächer werden sollte.
Nachmittags machen Iman und ich einen Spaziergang. Ein bisschen länger diesmal. Zum Westturm. Ich kann mich schließlich wieder (fast) normal bewegen. Auf dem Rückweg bleiben wir Hand in Hand vor der Rachel stehen. Uwe werkelt an Deck.
„Moin Uwe!“
„Moin.“ Er will auch morgen los, allerdings nach Wilhelmshaven. So werden wir das erste Stück gemeinsam laufen. Uwe fragt nach unserer Fahrtstrategie.
„Wir gehen bei Hochwasser los!“ sagt Iman voller Begeisterung.
Uwe guckt mich mitleidig an:
„Das ist Blödsinn! Da habt ihr ja Stunden gegenan!“
Ich habe das Gefühl meine Autorität als Skipper wird gerade vom Kapitän auf Großer Fahrt untergraben. Ich sage:
„Wir haben Nippzeit und draußen läuft der Strom sowieso schwach. Im Mittel werden wir nur einen halben Knoten gegenan haben.“
Er macht eine wegwerfende Geste.
„Halbe Tide reicht völlig!“ Nun. Der Mann hat Erfahrung, andererseits ist letzteres eher eine Behauptung als ein Argument. Das Wetter kann auch er nicht garantieren. Ich sage:
„Je weiter wir in der Elbe sind, wenn das Wetter schlechter wird, um so besser.“
Ob soviel übervorsichtiger Sturheit kann Uwe nur missbilligend den Kopf schütteln.
„Ich bin früher überhaupt erst los gesegelt, wenn es mindestens mit 6 Windstärken geweht hat!“
Bricht der Kerl hier gerade einen Hahnenkampf vom Zaun? Offensichtlich sieht er das Ganze nicht aus der Sicht einer Segelanfängerin, für die sich 6 Windstärken durchaus wie Sturm anfühlen. Ich gucke Iman an, aber kann ihre Miene nicht deuten. Vielleicht sollte er selbst ein bisschen früher los? Mit dem Tiefgang. Aber … Statt Öl ins Feuer zu gießen, sage ich:
„Das hat sicher Spaß gemacht.“
Damit gehen wir zu harmloseren Themen über. Iman, die bisher locker meine Hand gehalten hatte, nimmt mich von der Seite in den Arm und so stehen wir und plaudern noch ein wenig.
Später zurück an Bord unserer kleinen Néfertiti, erwähnen wir das Gespräch mit keinem Wort.
„Wann stellen wir den Wecker? Sieben?“
„Ok.“
Wir wollen früh ins Bett. Da kommt ein spätes Motorboot herein. Es legt sich im Päckchen auf das Motorboot hinter uns. Die beiden Skipper verstehen sich blendend. Obwohl sie sich bislang nicht kannten, klönen sie von Flybridge zu Flybridge. Als die Sonne untergeht, verhole ich mich in die Koje und bin trotz der lautstarken Unterhaltung von Bord zu Bord bald eingeschlafen. Iman nicht:
„Die haben noch bis 2 Uhr nachts geredet!“
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Hallo Klaus,
das mit den Guten Ratschlägen von Segelkollegen ist so eine Sache. Ich habe gelernt bei erfahrenen Segler gut zuzuhören, am Ende verlasse ich mich aber auf mein Bauchgefühl. Und das ist meist gut so.
Hahnenkämpfe unter Seglern, insbesondere wenn Frauen im Spiel sind, sind keine Ausnahme. Da wird schon mal übertrieben und das Ego aufgemotzt. Ich denke Iman kann damit umgehen und ihrem Skipper weiterhin vertrauen.
Grüsse
Axel
Hi Axel,
es gibt morgen noch eine Pointe zu der Geschichte …
Und ja: Du hast Recht. Als kluger Segler sollte man immer gut zuhören. Es gibt soviel zu lernen. Aber letzten Endes muss man seine eigenen Entscheidungen treffen. Schließlich trägt man als Skipper die Verantwortung für Crew und Schiff und nicht der nette Stegnachbar …
Liebe Grüße
Klaus