Als ich zurück in Hamburg war, sagte Marlies bei unserem ersten Treffen sinngemäß (und ich bin sicher, der eine oder andere von Euch denkt das auch):
„Ihr seid echt Weltmeister im langsam segeln!“ (Sie hat mit der Ahoi Marie knapp eine Woche bis Hamburg gebraucht.) Aber warum sollte man durch diese traumhafte Landschaft rasen, wo hinter jedem Stein eine neue Bucht zum Ankern einlädt, ein anderer Naturhafen wartet, eine Schäre schöner ist als die andere… Auch heute stehen nicht viele Seemeilen auf dem Plan. Bis Ängholmen sind es knapp sieben.
Nur sieben Meilen im Schärengarten
Jag heter Ima
„Außen rum?!“ Ima sieht mich unglücklich an:
„Da gibt es doch nur Wind und Wellen!“ Ja genau. Wind! Wir könnten den Genaker setzen. Und Wellen, jede anders! Und Wolken! Und …
„Innen gibt es viel mehr zu sehen.“ Sie sieht mich mit diesem speziellen Blick an.
„Ach bitte!“ sagt der. Innen macht die Navigation mehr Spaß…
Flirt
Am nächsten Morgen herrscht strahlender Sonnenschein. Keine Wolke und kein Wind. Wir gehen ankerauf und motoren die zwei Meilen zurück nach Skärhamn. Die junge Hafenmeisterin guckt mich verständnislos an, als ich frage, was es koste, wenn wir ein paar Stunden am Gästesteg liegen, um einzukaufen.
„Nothing!“
Fehlende Haken
Hinter der Durchfahrt wartet ein schmales Fahrwasser auf Néfertiti. Felsen und Felsen und Felsen. Ima grinst mich an:
„Toll hier!“
„Finde ich auch.“ Manchmal können Worte das nicht ausdrücken, was wir fühlen. Wir wissen beide, dass dieses „toll“ gute Chancen auf den Titel Untertreibung des Jahres hat.
Nach einer Weile erreichen wir die Hafenanlagen von Skärhamn. Sie bleiben an Steuerbord liegen. Vielleicht können wir da morgen unsere Vorräte aufstocken. Heute wollen wir weiter nach Sunna Holme. Zwei Kringel zieren den Eintrag in unserem Hamnguiden. Einer von Ima und einer von Johan. Wenn das keine Empfehlung ist! Bis dahin sind es keine zwei Seemeilen. Obwohl ich mich vorhin verfahren habe, empfinde ich das Ganze doch eher als bestandene Feuerprobe. Schließlich haben wir uns, wenn auch in letztere Sekunde, aber doch ganz manierlich aus der Affäre gezogen… Ohne GPS. Aber Odin ist noch nicht so ganz überzeugt, oder ist es Thor? Jedenfalls halten die nordischen Götter für uns noch eine zweite Feuerprobe bereit…
Der Anfang einer Freundschaft
Fünf Beaufort. Die Sonne scheint von einem blauen Himmel. Wir wollen nach Sunna. Sind außen um Kläverön herum, damit wir Raum zum Kreuzen haben. Néfertiti stampft im stetig zunehmenden Nordwind. Gischt spritzt. Für einen Moment meine ich das bunte Schillern eines Regenbogens im spritzenden Schaum zu sehen. Ima fragt:
„Hast du auch Hunger?“ Tatsächlich habe ich Hunger. Néfertitis Bug bohrt sich in die nächste Welle. Wieder schillert es in der Gischt.
„Guck mal. Ein Regenbogen.“ Ima guckt mich skeptisch an.
Unbetonnte Untiefen
Am nächsten Morgen brechen die Holländer auf. Es herrscht Nordwind. Nord bis Nordwest. Gut für sie. Schlecht für uns. Aber wir sind in den Schären. Während die Holländer nach Hause müssen. Wir müssen gar nichts. Haben einen Ozean von Zeit.
Der selektive Blick
„Wie heißt noch einmal unsere Box?“
„D5.“ Wir schlendern vor zum Türmchen des Hafenmeisters, aber der ist nicht aufzufinden. Zu früh.
Schärennavigation
Nach einer erfreulich ereignislosen Nacht wachen wir auf, als die ersten Motorboote ihren Morgengruß entbieten und Néfertiti neckisch schaukeln. Wir wollen hinüber nach Langedrag. Selbst der kleine Sprung bedeutet gewissenhafte Navigation, denn zwischen Hauptfahrwasser und der Hafeneinfahrt liegen ein Haufen Felsen im Weg. Fast automatisch geht meine Hand zum Schapp, in dem mein Handy liegt.
„Ist das dein Ernst, Klaus?!“ Eine innere Stimme wehrt sich gegen den ständigen Einsatz des elektronischen Helferleins. Eine Stimme, die von Tag zu Tag leiser wird.