Für die nächsten Tage sind 5-6 Windstärken vorausgesagt. Damit sind die Seegatten unpassierbar. Also segeln wir zurück nach Wangerooge. Gegen Mittag ist das Wasser soweit aufgelaufen, dass wir aufbrechen können…
Entgegen den Vorhersagen herrschen nur vier Windstärken aus NW. Der Himmel ist zwar grau und ungemütlich. Aber nur vier. Sollten wir doch … ? Nein, entschieden ist entschieden. Vielleicht legt der Wind im Laufe des Tages zu. Ich möchte Iman unter keinen Umständen die Seefahrt vermiesen. Also lieber auf Ententeichverhältnisse warten.
Während ich aufs Vordeck steige und die Ankerkette Hand über Hand einhole, wirft Iman den Diesel an. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Anker ausbrechen. Ich bändsele den Anker fest und führe die Kette durch die Ankerklüse in den Kettenkasten. Iman nimmt Kurs auf die Prickenallee.
Das Watt ist ein großartiges Anfängerrevier. Man muss die Seegatten respektieren, aber im Watt selbst baut sich nie nennenswerter Seegang auf. Das heißt: Keine Chance für die Seekrankheit, die Geißel nicht nur der meisten Segelaspiranten, sondern auch manches gestandenen Fahrensmannes.
Die Überfahrt ist Routine. Iman steuert uns nach Wangerooge. Lässt Pricke nach Pricke an Steuerbord liegen. Ich träume vor mich hin und formuliere in Gedanken schon einmal die Geschehnisse heute morgen für den Blog. Hach, ich fühle mich großartig, als hätte ich Seemannschaft mit Löffeln gefressen. Waren nicht alle meine Einschätzungen während der Nacht richtig…? Aber Hochmut kommt vor dem Fall. Wir nähern uns der Hafeneinfahrt. In der Hafeneinfahrt stehen Pricken. Ich sonne mich noch in meinem Hochgefühl, als Imans Stimme plötzlich in meine Träumereien dringt:
„Soll ich die Pricken rechts oder links lassen?“ Ohne groß nachzudenken und ohne genau hinzusehen sage ich:
„Lass sie an Steuerbord.“ Wie im Wattfahrwasser auch. Es ist Zeit das Anlegemanöver vorzubereiten. Ich beuge mich hinunter und krame in der Backskiste nach Fendern und Festmachern. Da höre ich Iman ziemlich ruhig sagen:
„Aber es wird immer flacher. 1,90m!“ Ich schaue auf. Immer flacher?! Plötzlich verschiebt sich meine innere räumliche Vorstellung. (Pricken haben schließlich unmissverständliche Topzeichen) Oh nein! Ich Depp habe uns nach backbord aus dem Fahrwasser hinaus geführt! Ich greife nach der Pinne und reiße sie herum. Néfertiti dreht hart Steuerbord.
„Entschuldigung, mein Fehler!“ Iman übernimmt wieder und steuert uns ins Fahrwasser zurück. Glück gehabt. Besser gesagt: Gut, dass Iman aufgepasst hat! Man sollte auf See immer schön demütig bleiben und wachsam. Aber Neptun befindet, dass ich damit zu leicht davon gekommen bin. Ich glaube, er hätte mich gerne in der Einfahrt trockenfallen sehen… und jetzt hat Iman ihm den Spaß verdorben.
Ich greife nach den Fendern auf dem Cockpitboden, um sie an die Reling zu hängen. Da schießt ein stechender Schmerz in meinen Rücken. Der gleiche Schmerz wie morgens auf der Freja. Aber diesmal geht er nicht weg.
„Was ist?“ Iman sieht mich besorgt an.
„Hexenschuss.“ Ich richte mich stöhnend auf, „Kann die Fender nicht raus hängen. Machst du das?“
Iman gibt mir die Pinne in die Hand und bereitet Leinen und Fender für das Anlegemanöver vor. Platz gibt es diesmal genug am Gemeindesteg. Ein alter Herr klettert von seinem Segelboot herunter, um unsere Leinen anzunehmen. Ich schaffe es kaum, mich zum Gashebel hinunterzubeugen, um Néfertiti aufzustoppen. Aber mit der Hilfe des freundlichen Mannes auf dem Steg sind wir bald fest. Iman setzt die Springs und ich bin erschüttert, wie schnell man vom stolzen Kapitän zum blinden Passagier werden kann … Bloß gut, dass wir heute nicht den großen Sprung in die Elbmündung gewagt haben.
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Hallo Klaus, Holla Iman,
dieser Blog hat mir gut gefallen, ja es stimmt, wer auf Elbe, Watt und Nordsee zurecht kommt wird auf allen anderen Revieren der Welt ebenfalls zurecht kommen. Das Revier mit Tide, Strömungen, Berufsschifffahrt, wechselhaften Wetter und schönen Segelbedingungen, ist eine gute Schule zum Segeln aber auch fürs Leben.
Schön das Ihr diesem Revier so viel schöne Seiten abgewinnen könnt.
Wir segeln ja nun seit zwanzig Jahren auf der Ostsee, vorher zehn Jahre in den Watten. Hier ist es entspannter, aber im Hochsommer auch etwas voller. Man kann besser Planen und keine Zeiten durch die Tide. Ankerplätze und Häfen gibt es auch mehr.
Wir wünschen Euch eine schöne Segelsaison 2014
und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel.
Axel
Lieber Axel,
schön, dass du den Blog immer noch gerne liest. Schick mir doch mal eine SMS (Nummer im Impressum), damit ich Deine Handynummer habe. Ich würde Dich gerne mal auf die Néfertiti einladen, wenn Du sie Dir immer noch ansehen möchtest, aber fahre immer etwas kurzentschlossen raus. Ich könnte Dich so kurzfristig kontaktieren, wenn ich (oder wir) die nächsten Male wieder zur Néfertiti fahre(n).
Liebe Grüße
Klaus
Oh-oh…. hoffentlich wird der Rücken wieder fit!
Ja …irgendweann war er wieder fit …
Hallo Klaus, Hallo Iman,
der Blog gefällt mir großartig, wirklich toll zu lesen.Ich freu mich jedes Mal wenn ein neuer Beitrag kommt. Bei mir und meiner Frau ist es genau so. Ich bin auch mit dem Segeln und an der Küste aufgewachen und meine Frau ist duch mich zum Segeln gekommen. Wir haben uns auch vor knapp 3 Jahren einen alten Stahlsegler oder besser gesagt das Kasko gekauft und sind nach dm Aus- und Umbau damit in den Watten unterwegs. Ich würde es super finden wenn man sich mal über den Weg segelt.
viele Grüße aus Eckwardersiel
Lieber Hendrik,
noch steht in den Sternen, was wir diesen Sommer machen, aber wenn sich unsere Wege kreuzen sollten, würde ich mich freuen. (Und Iman bestimmt auch!) Habt bloß keine Hemmungen uns anzusprechen…
Wie heißt denn Euer Boot?
Liebe Grüße
Klaus
Hallo zusammen
Toller Bericht…schade nur, dass die Hexe geschossen hat…ich wünsche dir Klaus gute Besserung und geniesst eure Reise weitehin…lg Geier aus der Schweiz
Danke Dir,
ich freue mich über Euer Mitfühlen, auch wenn der Hexenschuss nun ja schon eine Weile überstanden ist …
Liebe Grüße aus Hamburg
Klaus
Sowie ich Euer Boot erkenne, mach ich mich bemerkbar
Unsere alte Dame heißt „Quo Vadis“ eine dunkelblaue Trintel IIa.
Wir würden uns freuen. Trintel ist das nicht dieser schöne Van der Stadt Entwurf mit den gefälligen Überhängen … und dem eleganten Kajütaufbau?
Schönes Boot!
Liebe Grüße
Klaus
Oh danke! Ja so eine ist es… Ich hab mich sofort in das Boot verliebt als ich es das erste Mal im Schaukasten eines Yachtclubs gesehen hab. Seit dem Tag hingen meine Gedanken an dem Boot! Und ich hab’s bis jetzt auch noch nicht bereut, dass ich das Schiff gekauft hab. Wenn wir uns mal treffen kann ich Euch ja Mal die ganze Geschichte erzählen wenn Ihr möchtet. Ein Low Budget re-Fit in zwei Jahren.
Das musst Du unbedingt erzählen. Klingt nach dem Stoff aus dem die (Segel-)Träume gemacht werden
Mit Low Budget das Traumboot herrichten. Toll!
Kann Dein Gefühl mit dem sich Verlieben so gut nachfühlen. Schön, dass Du es geschafft hast, genau dieses Boot zu bekommen… Ich glaube, das ist den Zeitaufwand (Suche und Refit) am Ende immer Wert.
Liebe Grüße
Klaus