Ende Oktober 2012. Kalter, aber blauer Himmel. Nord 2-3 Bft. Die Sonne scheint. Wir sind zu Néfertiti raus gefahren. Ein letztes Mal Bootsluft schnuppern.
Iman, sieht mich plötzlich verschwörerisch an:
„Wollen wir nicht doch noch einmal los?“
Eigentlich ist Iman die Frostbeule von uns beiden. Trotzdem höre ich mich sagen:
„Nachts wird es eisig!“ …
„Wir können ja in einer Koje schlafen!“
Wer schon mal an Bord von Néfertiti war, weiß, dass die Kojen so schmal sind, dass ein Mann auf dem Rücken liegend mit hochgeklapptem Kojenbrett gut verkeilt ist. Für zwei wird es … naja: kuschelig. Ich gucke Iman an. Es ist ja nicht so, dass man mich lange zum Segeln überreden müsste.
Zwei Stunden später. Néfertiti läuft hoch am Wind eben außerhalb des Fahrwassers auf Schweinesand zu. Es dämmert. Grandioses Farbenspiel am Himmel. Langsam aber sicher wird es dunkel und bis zum Ankerplatz sind wir noch eine Weile unterwegs. Ich löse Iman an der Pinne ab. Der Verklicker ist bald von der Dunkelheit verschluckt. Man ist ganz auf sein Gespür angewiesen. Ich fühle den Wind im Gesicht. ( Alter Trick aus meiner Jollensegelzeit, die hatte nämlich auch keinen Verklicker: Indem ich den Kopf hin und her wende, kann ich die Windrichtung erfühlen, auch wenn ich die Wellen nicht sehen kann.)
Warm fällt das Licht aus der Kajüte. Langsam zieht Néfertiti an Schweinesand entlang.
Iman sieht müde aus: „Brauchst Du mich zum Ankern?“
„Das kriege ich auch alleine hin. Kannst ruhig in die Koje gehen.“
Iman verschwindet unter Deck.
Sie verpaßt eine romantische Vollmondfahrt. Dafür kriege ich ihre Handschuhe, was es mollig warm macht, zusammen mit Bobby Schenks Supertipp: „Kräftig zupacken.“ (Also die Pinne ausnahmsweise mal mit Kraft halten).
Néfertiti prescht mit 3 Knoten durch die Nacht. (Es kommt mir tatsächlich irre schnell vor!) Ich spüre, wie sich das Boot in den Wind legt, wenn ich auf Kurs bin, und sich aufrichtet, wenn ich einen Ticken zu hoch bin, lange bevor sich die Fock durch Killen bemerkbar machen würde. Ich fühle mich ganz im Einklang mit den Elementen. Berauschendes Segeln.
Vor mir leuchtet eine Tonne.
Ich zähle die Kennung aus, grüner Blitz, vier Sekunden. Springe den Niedergang hinunter und sehe in die Karte. Da ist die Tonne. Iman schläft. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn und entere wieder nach oben.
Etwas weiter leuchtet ein gelbes Licht. Jetzt heißt es aufpassen. Hier liegen unbefeuerte Tonnen. Aber im hellen Mondlicht sehe ich die grüne schon von weitem und da sind auch die kleinen gelben…
Der Vollmond steht hinter den dunklen Bäumen an der Westspitze Schweinesands. Sein Licht spiegelt sich auf dem Wasser. Etwas weiter elbabwärts funkelt ein grünes Licht. Das ist unsere Einsteuerung. Ich weiß aber, dass Néfertiti dicht unter der Inselspitze vorbeilaufen kann und ändere den Kurs bevor wir die grüne Tonne erreichen. Gehe in den Wind, berge das Groß. Während ich es auftuche, fällt Néfertiti von allein auf einen Vorwindkurs ab, als kenne sie den Weg zu unserem Ankerplatz.
Néfertiti segelt dicht unter dem Ufer Schweinesands, wo der Gegenstrom am Geringsten ist. Platsch, platsch, platsch, platsch … singt die Bugwelle.
Ich habe alle Zeit, den Anker zu lösen und die Ankerkette in Buchten an Deck auszulegen. Iman wacht von dem Gepolter auf.
„Es ist eine traumhaft schöne Nacht.“
Sie hüpft im Schlafsack, wie beim Sackhüpfen, zum Niedergang und wirft einen Blick hinaus.
„Du bist ein unverbesserlicher Romantiker,“ und verschwindet wieder in ihrer Koje, „Ich würde den Motor anwerfen.“
Nun. Ich segele lieber und genieße diese wunderschöne Nacht. Eine halbe Stunde später sind wir da. Ich bedaure es fast. Auf drei Metern Wassertiefe rolle ich die Genua weg und gehe vorsichtig auf’s Vorschiff (Mit den Klamotten möchte ich nicht ins eiskalte Wasser fallen, schon gar nicht bei der Strömung). Die Lichter von Neuenschleuse geben eine gute Peilung. Ich lasse den Anker fallen, als zwei Lichter in Deckung sind.
Néfertiti schwoit im Strom. Ich fasse mit der Hand an die Kette. Kein Ruckeln. Der Anker hat erst einmal gefasst. Will den Motor nicht extra anwerfen. Ich werde eh noch ein bißchen auf sein, um etwas zu essen und denke, dass der stete Strom die gleiche Wirkung hat wie das Eindampfen und den Anker tief in den Grund zieht.
Ich hatte irgendwann im Sommer eine Dose Ravioli „für alle Fälle gekauft“, und wärme sie auf. Ima guckt schlaftrunken aus ihrem Schlafsack hervor. „Hunger?“ Sie schüttelt den Kopf und schläft schnell wieder ein. Ich checke zwischendurch die Ankerpeilung. Sie steht unverändert. Ich begebe mich an den Abwasch (Katzenwäsche) und mache mich danach bettfein. Ein letzter Blick auf die Peilung. Alles in bester Ordnung. Ab in die Koje. Ich ziehe im Dunkeln den Reißverschluss meines Mumienschlafsacks hoch. Was ist das? Der Reisverschluss ist gerissen. Ich mache Licht. Er lässt sich nicht wieder einfädeln. Ausgerechnet in dieser Kälte! Son ein Pech. Ich lege mich wie unter eine Decke und stopfe die Enden unter meinen Körper. Mummel mich gemütlich ein. So geht es auch. Bald bin ich eingeschlafen.
Gegen 22 Uhr wache ich auf. Die Tide kentert. Néfertiti schwingt gerade langsam herum. Komisch, dass man von dieser kaum spürbaren Bewegung fast immer wach wird! Ich schäle mich aus der warmen „Decke“ und kontrolliere den Anker. Er hält.
Sechs Stunden später wache ich zum zweiten Mal auf, als die Tide wieder kentert. Ich richte mich auf und kontrolliere noch einmal die Ankerpeilung durch das Kajütfenster.
Iman ist auch aufgewacht:
„Ist was?“
„Nein, alles in Ordnung.“
Sie krabbelt in meine Koje und wir kuscheln uns dicht aneinander.
Der nächste Morgen empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein. Ich klettere den Niedergang hoch, trete ins Freie und habe plötzlich keinen Halt mehr. Kann mich so gerade noch festhalten.
„Mann ist das glatt!“ Wir haben Eis an Deck.
Glücklicherweise schmilzt das Eis in der Sonne schnell. Nach einem kargen Frühstück (Haferflocken sind immer an Bord) aber mit einem herrlichen Tee ist es soweit: Die Flut setzt ein und wir gehen ankerauf. Nach einem kurzen Halt in Wedel, um das Bilgewasser zu entsorgen, auf Wind zu warten und einen kleinen Spaziergang zu machen, ohne extra Echna aufpumpen zu müssen, segeln wir mit 2kn Fahrt zurück nach Hamburg. Frühlingshaftes Wetter. In der Sonne ist es richtig warm. Iman kocht unterwegs Nudeln und wir freuen uns des Lebens … Was für ein schöner Abschluss unserer Segelsaison.
♦♦♦
Dein Schiff ist wirklich sehr schön!
Über solche Worte freuen sich gleich drei!
Das war auch Liebe auf den ersten Blick.
Und ich glaube, nicht nur von meiner Seite aus…
Was macht Dein Blog? Geht es voran?
Liebe Grüße
Klaus
Hallo Ihr DREI,
sehr schön und anschaulich, wie Du diesen kurzen Törn beschreibst…man hat das Gefühl dabei gewesen zu sein !
VG – Frank
Hi Frank,
es war eine ganz besondere Nacht. Die Kälte habe ich kaum gespürt, nur diese wundervolle Stimmung in mich aufgesogen. Iman hat echt was verpasst. Obwohl: Ich glaube, sie war ganz glücklich schlafen zu dürfen. Und das Leichtwind-Segeln am nächsten Tag war ja auch wunderschön.
Liebe Grüße
von uns Dreien